zum Hauptinhalt
Der Literaturkritiker Denis Scheck.

© picture alliance / Rolf Vennenbernd / dpa

Murakami, Heidenreich, Fitzek ...: Dennis Scheck kommentiert die Bestsellerliste

Einmal monatlich bespricht der Literaturkritiker die „Spiegel“-Bestsellerliste – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“. Diesmal: die Rubrik Belletristik.

Literaturkritiker Denis Scheck bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (nächste Sendung heute, 28. Feburar, 23.35 Uhr, Gast: Barack Obama).

10.) Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek (Deutsch von Sabine Hübner, Droemer, 320 S., 20 €.)
Eine selbstmordbereite Enddreißigerin erhält die Möglichkeit, Einblick in viele alternative Verläufe ihres Leben zu nehmen. Charmant. Faszinierend. Intelligent. Ein perfekter Unterhaltungsroman.

9.) Alena Schröder: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid (dtv, 368 S., 22 €.)
Hoppla, Alena Schröder ist eine echte Entdeckung: Rund um ein verloren gegangenes Bild von Vermeer – darauf bezieht sich der Titel – erzählt Schröder eine süffige, hundert Jahre umfassende Familiengeschichte. Am stärksten ihre Schilderung von Frauen, die bereuen, Mütter geworden zu sein.

8.) Elke Heidenreich: Männer in Kamelhaarmänteln (Hanser, 224 S., 22 €.)
Kurzweilige und hintersinnige autobiographische Schnurren von Deutschlands Vorkämpferin für das Gute, Wahre Schöne in einfacher Sprache.

7.) Charlotte Link: Ohne Schuld (Blanvalet, 544 S., 24 €.)
Da sind sie wieder: Detective Sergeant Kate Linville und Detective Chief Inspector Caleb Hale – und die bleierne Langeweile, die zu Charlotte Links pseudobritischen Krimis gehört wie der Nebel zu London.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

6.) Marah Woolf: Sister of the Night (Nova MD, 608 S., 21 €.)
Anders als Autorenname und Titel vermuten lassen, ist diese Artus-Saga ein sehr deutsches Fantasy-Elaborat. Auf über 600 Seiten findet sich kein einziges überraschendes Adjektiv: die Herbstluft ist „kühl“, der Schrei „gellend“, der Herzschlag „rasend“. Wie kann da mein Veriss anders ausfallen als „vernichtend“?

5.) Dirk Rossmann: Der neunte Arm des Oktopus (Lübbe, 400 S., 20 €.)
Zur Uniform des deutschen Musterintellektuellen gehört selbstverständlich die Verachtung für einen Öko-Thriller aus der Feder eines Drogeriemarkt-Milliardärs. Aber so krud’ die Sprache, so anregend der Plot: Dieses Buch enthält mehr originelle Ideen als eine Monatsproduktion der „edition suhrkamp“. Geld schießt keine Tore, sagen manche Sportjournalisten. Ich bin mir da nicht so sicher. Jedenfalls schreibt Geld durchaus annehmbare Thriller.

4.) Horst Evers: Wer alles weiß, hat keine Ahnung (Rowohlt Berlin, 240 S., 20 €.)
Eine Sammlung stinklangweiliger Comedytexte, wie sie gern in den öden Comedysendungen im Fernsehen laufen. So stelle ich mir Wartezimmer-Lektüre in Krematorien vor.

3.) Sebastian Fitzek: Der Heimweg (Droemer, 400 S., 22, 99 €.)
Warum nenne ich diese Prosa gewaltpornographisch? Deshalb: „Martin hatte seine Befriedigung nicht darin gefunden, einen am Leben Verzweifelten dazu zu bringen, sich selbst einen Zahn aus dem Kiefer zu brechen. Ihm ging auch keiner ab, weil er sie zum Kuss mit einem nach Pisse und Fäulnis riechenden Penner gezwungen hatte.“

Auch in seinem neuen Roman suhlt sich Sebastian Fitzek in widerlichen Gewaltphantasien, die sich gegen die Schwachen und Wehrlosen unserer Gesellschaft richten. Man mag mich für naiv halten, aber ich glaube tatsächlich, dass man durch die Lektüre solcher Texte seelischen oder meinetwegen psychischen Schaden nimmt.

2.) T. C. Boyle: Sprich mit mir (Deutsch von Dirk van Gunsteren, Hanser, 352 S., 25 €.)
T. C. Boyle war schon immer ein grüner Visionär. In seinem neuen Roman fragt er, mit welchem Recht wir unsere nächsten Primatenverwandten in Käfige stecken, zu Versuchstieren degradieren und warum wir Menschen solche Schweine sind. Ein philosophischer Action- und Affenroman mit Drive und Witz.

1.) Haruki Murakami: Erste Person Singular (Deutsch von Ursula Gräfe, DuMont, 224 S., 22 €.)
In Haruki Murakamis neuem Erzählungsband wird ein Jugendlicher von einem alten Mann gefragt: „Ein Kreis, der viele oder mitunter unzählige Mittelpunkte und keine Begrenzung hat. Kannst Du Dir einen solchen Kreis vorstellen?“

Solche starken Bilder für das Leben in westlichen Gesellschaften unterfüttern diese Geschichten, die wie immer bei dem japanischen Schriftsteller vom Einbruch des Rätselhaften in bürgerlichen Existenzen erzählen. „Erste Person Singular“ ist ein Buch voller Schönheit und Erkenntnisblitze.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false