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Gesangs-Domina Kate (Kristin Scott Thomas) mobilisiert ihren Frauenchor.

© Leonine

„Mrs. Taylor's Singing Club“ im Kino: Kinder, Küche, Chorgesang

Peter Cattaneos Feelgood-Komödie „Ganz oder gar nicht“ war ein Hit. Jetzt hat er eine über singende Soldatenfrauen gemacht: „Mrs. Taylor's Singing Club“.

Bei diesen Ladys haben Friedensaktivisten schlechte Karten. „Wir können den Krieg nicht stoppen“, ruft Soldatenfrau Lisa einem Protestierer zu, der mit einem „Stop the War“-Plakat in der Stadt steht und Unterschriften gegen den Afghanistan-Feldzug sammelt. „Wir sind mit ihm verheiratet!“

Die Pointe fällt in „Mrs. Taylor’s Singing Club“ in einer schmissigen Szene, die zum Standardbesteck von Feelgood-Komödien gehört. Der titelgebende Chor der Soldatenfrauen, anfangs noch von inneren Konflikten zerrüttet, marschiert in neu entdeckter Gemeinsamkeit zu einem Auftritt.

Inzwischen gibt es 75 Military Wives Chöre

Entsprechend launig kommt Lisas (Sharon Horgan) selbstbewusste Feststellung rüber. Hierzulande hat man zum Militär historisch bedingt allerdings ein gebrocheneres Verhältnis als die traditionell auf Treue und Liebe zur Armee geeichten Briten.

Solche Wechselbäder gehören unweigerlich zu dem patriotischen Stoff, der sich nicht mit Fragen nach Sinn und Unsinn des Afghanistan-Einsatzes aufhält. Er basiert auf einer realen Singbewegung: den heute 75 Chören der britischen „Military Wives“, gegründet 2010 von den Ehefrauen zweier Soldaten aus der Militärbasis Catterick in Yorkshire. Um den Zusammenhalt der zu Hause sitzenden Frauen zu fördern – oder böser ausgedrückt: um die Moral der Heimattruppe zu stärken.

Nichts anderes macht Regisseur Peter Cattaneo mit seinem Film. Er zeigt Soldatenfrauen, die – von Jeans und Autos abgesehen – kein bisschen anders als ihre Leidensgenossinnen im 19. Jahrhundert leben. Meist berufslos wartend, bangend, Heim und Kinder hütend, damit der Mann im Feld auch was zum Heimkehren hat. Kein Vergleich mit dem subversiven sozialkritischen Appeal, den Cattaneo 1997 seinen arbeitslosen, strippenden Stahlarbeitern im Komödienhit „Ganz oder gar nicht“ verpasst hat.

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Abgesehen von diesem doppelt konservativen Bild der Frauen und des Militärs ist „Mrs Taylor’s Singing Club“ eine muntere, durch keinerlei Überraschungen irritierende Geschichte. Angesichts der betreten blickenden Offiziere, die bei einer der Sangesschwestern klingeln, um ihr den Tod des Ehemannes mitzuteilen, auch mit melancholischen Anteilen. Gerade weil die Frauen mit dem Singen beginnen, um sich von den schlechten Nachrichten aus Afghanistan abzulenken, hat das Hobby etwas vom lauten Pfeifen der Kinder im finsteren Wald.

[In den Kinos Cinemax Potsdamer Platz, Cineplex Titania Palast, CineStar Cubix Alexanderplatz, Kino in der Kulturbrauerei, Kino Spreehöfe, UCI Kinowelt am Eastgate]

Angeführt wird die Truppe von den beiden Antipoden Lisa und Kate (Kristin Scott Thomas). Kate ist die stocksteife, autoritäre Angetraute des Colonels Richard Taylor (Greg Wise) und überträgt dessen Befehlsgewalt beim Chorleiten ohne viel Federlesens auf sich. Zum Ärger der lässigen Lisa.

Die führt den von Kate okkupierten Frauenclub der Militärbasis so locker wie ihren Laden und reagiert ausgesprochen angesäuert auf die Mobilmachung. Im Gegensatz zur Stiff-upper-lip-Kate, die im Laden über den Kopf einer anderen Kundin hinweg Olivenöl ordert, als leite sie den Generalstab.

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„Mrs. Taylor’s Singing Club“ lebt von herzigen Popsongs wie „Time after Time“, „Shout“ oder „We are Family“, die die vielköpfige Damenriege erst schön schräg und bald immer versierter anstimmt. Und von der schauspielerischen Verve. Die Dominas Kristin Scott Thomas und Sharon Horgan spielen derart hingebungsvoll „Zickenkrieg“, dass die Uniformierten zu Statisten verkommen.

Dass Kates Aktionismus seelische Notwehr ist, wird schnell offenbar, sie und ihr Mann haben im Krieg ihren Sohn verloren. Die Szenen zwischen dem vor Trauer sprachlosen Ehepaar sind die, in denen Scott Thomas’ stählerne Scheinwerferaugen ihren Schmelz zurückbekommen. Auf dem Weg zum großen Finale, dem Auftritt in der Royal Albert Hall, gilt es tiefe Täler zu durchwandern. Und ebenso zuverlässig werden sie nach der Mechanik von Brit-Comedys wie „Kalender Girls“ oder „Brassed Off“ schließlich bewältigt.

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