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Löwenbändiger. Dirigent Milan Turkovic und das Moritzburg Festival Orchester beim Festival "Young Euro Classic".

© Promo

Moritzburg Festival Orchester beim YEC: Grimassen schneiden zu Beethoven

Das Moritzburg Festival Orchester schickt die Wiener Klassik beim Berliner Festival Young Euro Classic ins Spiegelkabinett.

Regina Ziegler als Patin des Abends entführt das Publikum am Montag beim Festival „Young Euro Classic“ zum Einklang in die Moritzburg bei Dresden. Die Filmproduzentin erzählt von der Entstehung des dortigen Festivals, durchstreift das Barockschloss mit seinen imposanten Jagdtrophäen (Riesenhirschgeweih! 66-Ender!) und wünscht einen schönen Abend – ohne Geweihe und Jagdhörner.

Die erklingen dann aber doch gleich, auf denkbar heitere Weise in der Konzertouvertüre „Con brio“ (2008), Jörg Widmanns ironischer Hommage auf Beethovens Finalsatz der Siebten samt Pazifizierung von dessen Triumphmarsch-Attitüde. Widmann schickt die Wiener Klassik ins Spiegelkabinett, verzerrt und zerlegt sie, lässt sie sich selbst Grimassen schneiden. Die Luftstöße der Flöten, die frechen Glissandi und Akkordverdichtungen der Streicher, die Extravaganzen des Schlagzeugers, der die Pauke mit dem Schaft des Schlägels traktiert – das Moritzburg Festival Orchester unter Leitung von Milan Turkovic geht mit Vergnügen und akkurater Anarchie zu Werke.

Lise de la Salle beruhigt das Biest

Ein schönes Vorspiel zum Höhepunkt des Abends, Beethovens viertes Klavierkonzert mit Lise de la Salle. In dem für ein Instrumentalkonzert so ungewöhnlichen Eingangssolo gibt sie den Ton vor, mit all der traumwandlerischen Natürlichkeit, für die das Spiel der 27-jährigen Pianistin so berühmt ist. Perlende Läufe, aparte Rubati, Anmut auch in der Kadenz – die Musiker reagieren kongenial, mit einer warmen, leicht melancholisch gefärbten Tongebung. Im zweiten, auf den Kontrast zwischen barschen Tutti- und beseelten Klavierpassagen angelegten Satz, bezirzt die Schönheit das Biest. Wie sehr Lise de la Salle ihren Beethoven in die Nähe des Impressionismus rückt, begreift man erst bei der Zugabe, Debussys Prélude „La fille aux cheveux de lin“.

Ungewöhnlich ausgereiftes Jugendorchester

Das jedes Jahr neu zusammengestellte Werkstatt-Orchester des Moritzburger Festivals gastiert seit der Gründung 2006 zum dritten Mal bei Young Euro Classic. Seine für ein Jugendorchester ungewöhnlich ausgereifte, kammermusikalisch verfeinerte Klangkultur entfaltet es auch bei Mozarts Jupiter-Sinfonie.

Turkovic animiert das Ensemble so elegant wie agil zum Tanzen und Tänzeln, zu einem beschwingten, wenn auch etwas monochromen Mozart mit verhaltener Dynamik und sparsamem Vibrato nach Art der historischen Aufführungspraxis. Manchmal wünschte man sich mehr Spannung wie in der quirligen „Figaro“-Ouvertüre als erste Zugabe. Von wegen Jagdtrophäen: Warum soll nicht auch ein Jugendorchester das Konzerthaus-Publikum einmal mit Milde betören?

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