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Zwei Raver aus Brandenburg. Gernot Bronsert (r.) und Sebastian Szary fusionierten mit dem Elektroniker Sascha Ring (Apparat) zum Trio Moderat.

© Birgit Kaulfuss

Modeselektor im Porträt: Das Trio ist wieder ein Duo

„Who Else“: Modeselektor haben ein neues Album aufgenommen – und treten im Berghain auf. Eine Begegnung.

Das letzte Album des Berliner Techno-Duos Modeselektor ist vor ganzen acht Jahren erschienen. Vor einer halben Ewigkeit also. Und in der Zwischenzeit ist so viel passiert. Vor allem der internationale Erfolg von Moderat, bei dem Modeselektor mit dem Elektroniker Sascha Ring alias Apparat fusioniert, ist hier zu nennen. Was ursprünglich nur als Projekt geplant war, wurde zum international erfolgreichen Mega-Act. Moderat veröffentlichten erst eine Platte, dann noch zwei und dann gleich noch ein Live-Album hinterher. Und gaben Shows in immer noch größeren Hallen.

So hätten sie eigentlich immer weitermachen können. Zu dritt. Als Techno-Super-Group aus Berlin. Aber stattdessen wurde die erfolgreiche Fusion erst mal wieder auf Eis gelegt. Modeselektor haben gerade mit „Who Else“ ein eigenes Album veröffentlicht, und Sascha Ring wird in ein paar Wochen als Apparat mit einer neuen Platte nachlegen.

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Die gemeinsame Arbeit als Moderat war auch nicht immer ganz leicht, lassen Gernot Bronsert und Sebastian Szary durchblicken. Sondern, für Bronsert, ein „megaanstrengender Kampf zwischen uns dreien darüber, wie genau wir Musik machen. Wir lieben uns, aber wir brauchten auch eine Pause voneinander.“ Nach dem vorläufigen Ende von Moderat entstand allerdings erst einmal ein Vakuum. „Uns war völlig die Identität abhandengekommen. Wir wussten gar nicht mehr, wer wir eigentlich sind und wo wir hinwollen“, so Bronsert. Zum Leidwesen ihrer Familien haben sie dann ganz viele DJ-Gigs gespielt. Zu zweit. Gemeinsam Platten auflegen als eine Art Paartherapie und Selbstfindungsprozess.

Beim Gespräch wirken die beiden wie ein vertrautes Ehepaar

Zwei Jahre lang haben die beiden dann gedanklich an ihrem neuen Album gefeilt. Sich eine Idee dafür überlegt, ein Konzept. Und, typisch für Modeselektor, Mitstreiter für Gastauftritte gesammelt. Am Ende ging es dann ganz schnell. Ein Monat Aufnahmeprozess im eigenen Studio in Mitte, und fertig war das Album. Eine tatsächlich ungewöhnliche Herangehensweise in heutigen Zeiten, wo Technoproduzenten meist eher Monate oder gar Jahre an ihren Tracks herumfeilen. Immer in den Pausen zwischen DJ-Jobs statt konzentriert an einem Stück.

Musikalisch haben sich die beiden möglicherweise erst wieder finden müssen. Menschlich war in der Zeit sicherlich alles weitgehend im grünen Bereich. Beim Gespräch mit ihnen im Büro ihrer eigenen Plattenfirma in Mitte wirken sie wie ein vertrautes Ehepaar, das sich immer einig ist und perfekt ergänzt. Bronsert ist der dauereuphorische Vorredner, der alles mögliche, natürlich vor allem bestimmte Formen von Musik, vor allem „geil“ findet, Szary nickt das Gesagte dann meist mit einem Lächeln ab.

Suche nach neuen Soundimpulsen

Diese Partnerschaft ist gewachsen. Beide kommen aus Käffern in Brandenburg. Nach der Wende sind sie jeder für sich nach Berlin gezogen, wo gerade Techno die ganze Stadt veränderte. Sie lernten sich als Raver und Musikinteressierte kennen und schätzen und taten sich schon bald als Modeselektor zusammen. Erste Platten veröffentlichten sie bei Ellen Alliens Label „Bpitch Control“, damals auch noch das Zuhause von Paul Kalkbrenner, einem weiteren Ossi, der bald zum Weltstar wurde. Schon früh arbeiteten sie mit der Pfadfinderei zusammen, Visual-Künstlern, die heute immer noch für die Optik bei den Live-Auftritten von Modeselektor zuständig sind. Auch wenn der Hype um Visuals im Kontext Techno inzwischen wieder abgeflaut ist.

Es ging schnell steil nach oben mit dem Duo. Anstatt sich beim Techno auszuruhen, suchten sie bald nach immer neuen Sound-Impulsen. Englische Bassmusik, Dubstep, Grime, Hip Hop, alles integrierten sie und holten sich immer wieder Leute mit ins Boot, die ihre Soundwelt erweiterten. Höhepunkt dürfte die Zusammenarbeit mit Radioheadsänger Thom Yorke gewesen sein, der sich auch noch als Fan des Berliner Duos outete.

Und jetzt? Wo man schon ziemlich weit oben ist, geht es da nicht sogar noch ein Stückchen höher? Auf das Level von David Guetta vielleicht? Macht man da einfach die Platte, die alle von einem erwarten? Nicht als Modeselektor. „Wir haben ja eigentlich schon alles erreicht“, sagt Gernot Bronsert, „wir sind geküsst vom Schicksal. Wir sind zwei Typen aus Ostberlin, die nie etwas anderes gemacht haben als Musik. Wir haben ganz klein angefangen und uns alles selbst erarbeitet. Mit viel Glück, aber auch mit Biss. Da muss ich keine Platte machen, die den Leuten gefällt, sondern vor allem mir.“

Im Techno ist alles schon einmal dagewesen

Deswegen auch wieder die Suche nach neuen Sounds und Impulsen, die man der Platte anhört. Der estnische Rapper Tommy Cash hat einen Gastauftritt, die Londoner Grime-Rapperin Flohio ist auf einem Stück vertreten, junge Talente, unter die Fittiche genommen von den beiden Ü-Vierzigern aus Berlin. Es gibt Techno auf dem Album, aber vor allem auch ganz viel anderes. Bronsert sagt: „Klar, Techno ist geil. Und nicht totzukriegen. Aber in dieser Musik ist alles schon einmal dagewesen. Wir aber suchen immer noch nach Innovationen.“

Er versichert: „Keine Snare, keine Kick-Drum, kein Bass, kein Synthiesound wiederholt sich auf dem Album. Bei jedem einzelnen Track haben wir unterschiedliche Klänge verwendet. Wir haben versucht, uns selbst zu überraschen.“ Und weil es vielleicht nur für eine begrenzte Zeit überhaupt möglich ist als Technoproduzent, sich nicht zu wiederholen, ist das Album auch so kurz geworden. Acht Tracks, 35 Minuten. „Die Platte ist so lang, wie sie sein muss“, so Bronsert, „Du verweilst kurz, aber intensiv. Und willst sie gleich wiederhören.“

Auch als Antwort auf die Dauerzerstreuung in unserer Zeit will er das verstanden wissen. Er verwendet den Begriff „Nachhaltigkeit“. Man verliere sich in Social-Media, schaue Dutzende Stunden einer Serie beim Binge-Watching. Da solle wenigstens ein Modeselektor-Album in einer guten halben Stunde alles Notwendige auf den Punkt bringen.

Modeselektor, „Who Else“, Monkeytown, Live: 7.3. und 11.3., Halle im Berghain

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