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Neugierige willkommen. „Meine erste Tasse Kaffee“ vom Künstler Moritz Frei in der Galerie „Weißer Elefant“ .

© Nihad Nino Pušija

Mit dem Shuttle durch Berlin: Die kommunalen Galerien laden zur Entdeckungstour ein

Quer durch alle Bezirke: Während der KGB-Kunstwoche lassen sich die städtischen Galerien mit dem Reisebus kennenlernen. Eine Rundfahrt.

Der Mann hat Mut. Can Schmuck fährt mit dem Reisebus zur Kunst, seine Route führt ihn durch das enge Berliner Scheunenviertel. Tollkühne Tretroller-Fahrer umkurvt er elegant. Sein Ziel in der Auguststraße: die Galerie Weißer Elefant. Sie ist die erste von fünf kommunalen Institutionen, die der Busfahrer an diesem Tag ansteuert. Der Shuttle ist kostenlos, die Tour dauert fünf Stunden. Man muss sich bloß früh genug anmelden, denn die Plätze sind – wie in den beiden anderen Bussen, die parallel jeweils fünf andere Orte besuchen – schnell belegt.

Seit 2014 werden die Fahrten alljährlich vom KGB organisiert, jenem Zusammenschluss der Kommunalen Galerien Berlins, der sich gegründet hat, als die Bezirke vor ein paar Jahren laut über ein Ende der Finanzierung nachdachten: Weshalb braucht Berlin mit seinen Hunderten privaten Galerien noch städtisch geförderte Ausstellungsräume? Die KGB-Kunstwoche, deren Auftakt die Bustouren sind, gibt eine klare Antwort.

Schon an der ersten Station von Tour 3, der Galerie Weißer Elefant in einer denkmalgeschützten Wohnung aus DDR-Zeiten. „Zwischen Ausgängen - Pending Issues“ heißt die Ausstellung. Und das Wichtigste ist, neben einem Mail-Art-Archiv oder dem Video von Moritz Frei, in dem Schauspieler Bruno Ganz über Kaffee philosophiert: Das Programm ist null kommerziell orientiert.

Was auf dem Kunstmarkt teuer und wichtig ist, interessiert hier wenig. Ein „Archiv der enttäuschten Erwartungen“, ebenfalls von Frei, versammelt im Gegenteil Absagen von Galerien, die Künstler im Lauf ihrer Karrieren erhalten haben. Daneben hängen verkäufliche Blätter aus dem „Archiv der Anonymen Zeichner“, doch auch sie unterlaufen die übliche Kette der Wertschöpfung: Jede Arbeit kostet gleich viel, unabhängig vom Standing des Künstlers.

Wer etwas kauft, soll nach seinem Geschmack entscheiden. Erst wenn das Blatt abgehängt und bezahlt ist, schreibt Archiv-Hüterin Anke Becker den Namen des Schöpfers oder der Schöpferin an die Wand – er kann berühmt sein oder nahezu unbekannt.

45 Minuten für jede Galerie

Zusammengestellt hat die Schau Kuratorin Julia Heunemann. Und auch, wenn die kalkulierten 45 Minuten nicht reichen, um jeden der sieben Räume in ein glasklares Verhältnis zum Ausstellungstitel zu bringen, manifestiert sich ein Eindruck: Alles hier hat mit Erwartungen zu tun. Manche enttäuschen mutwillig, andere wie die kleinen Bilder von Ruth Wolf-Rehfeldt aus den siebziger Jahren überraschen, weil sie abstrakt wirken, tatsächlich aber „Typewritings“ sind - mit der Schreibmaschine aus Zeichen und Buchstaben gemacht.

Man könnte sich in ihrer visuellen Poesie verlieren, aber die Zeit drängt. Can verstellt mit dem Großfahrzeug die Auguststraße, die Besucher müssen zurück auf ihre Busplätze und weiter zur Galerie Wedding. „Raum für zeitgenössische Kunst“ nennt sich die Institution ergänzend, und Solvej Helweg Ovesen als künstlerische Leiterin erläutert vor Ort kurz das Programm.

Es liegt buchstäblich auf der Müllerstraße mitten im von Migration wie Gentrifizierung geprägten Kiez. Ovesen reagiert mit dem ganzjährigen Programm „Soft Solidarity“ – und die Berliner Künstlerin Konstanze Schmitt macht gerade Interviews im öffentlichen Raum zum Thema „Liebe in Zeiten des Kapitalismus“. Wer möchte, kann Schmitts konzentrierten Vortrag mit einem Bier begießen, das der nigerianische Künstler Emeka Ogboh hat brauen lassen. Es soll nach Wedding schmecken und ist gut gekühlt. Doch die Zeit rast, der Bus steht vor der Tür. Es geht nach Spandau.

[Die KGB-Kunstwoche läuft bis zum 8.September, Infos: www.kgberlin.net]

Unterwegs ergänzen Ute Müller-Tischler, verantwortlich für die kommunalen Galerien Mitte, und Ralf F. Hartmann als Chef des Kulturamts die Informationen per Mikrofon. Wer weiß zum Beispiel, dass Spandau insgesamt fünf kommunale Räume zur Verfügung hat? Die Galerie im Kulturhaus verbindet eine kleine Retrospektive der Malerin Brigitte Wengoborski mit eindringlichen Gedichten von Sabine Pfeifer. Beide Künstlerinnen sind anwesend, und sicher ist dies ein unschlagbarer Vorteil der KGB-Bustour: Überall stehen an diesem Nachmittag die Leiter der Galerien wie auch Künstler bereit, um sich vorzustellen.

Die Künstlerin Ines Doleschal, Initiatorin der sehenswerten Ausstellung „vier x drei: bauhaus“ tut dies im Projektraum der Alten Feuerwache, Kuratorin Lena Johanna Reisner übernimmt den Part in der Galerie im Turm. Die hiesige Schau „Der Apfel. Eine Einführung“ mit lauter Setzlingen mutet eher wie ein soziokulturelles Projekt an. Tatsächlich geht es auch um die Anpflanzung von Obstbäumen im Stadtraum.

Beide Häuser gehören zum Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, von hier aus bringt Can die doch leicht ermatteten Kunstgucker nach Schloss Biesdorf in Marzahn-Hellersdorf. Alle drei Touren münden dort, man trifft sich zu Snacks bei Abendsonne. Kein Wunder, dass es eine Warteliste für die Plätze gab.

Doch man kann das alles selbst noch einmal unternehmen, fast jede kommunale Galerie macht während der „KGB-Woche“ zusätzlich Programm. Und als Trost für alle jene, die auch gern mit dem Bus unterwegs gewesen wären: Die KGB-Touren gibt es wieder im nächsten Jahr!

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