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Denis Scheck in seinem SWR-"Lesenswert"-Literaturtalk, links Ijoma Mangold, Sigrid Löffler und rechts Insa Wilke.

© SWR

Misogynie in der Literaturkriitk: Werden Schriftstellerinnen extra heftig attackiert?

Die Literaturbloggerin Nicole Seifert hat die Misogynie in der Literaturkritik beklagt. Doch gehen Kritiker mit der Literatur von Frauen respektloser um?

So richtig will sie nicht in Gang kommen, die Debatte über die Misogynie in der Kultur-, speziell der Literaturkritik, die neulich von der Autorin und Bloggerin Nicole Seifert im digitalen Literaturfeuilleton „54books“ angestoßen wurde.

Was daran liegen mag, dass es nicht ganz leicht ist, dazu Stellung zu nehmen, gerade für die „tendenziell älteren, weißen, heterosexuellen Männer“ in den Redaktionen, die „über tendenziell ältere weiße Männer“ schreiben, die wiederum „die Probleme von tendenziell älteren, weißen, heterosexuellen Männer beschreiben“, wie das die „Zeit“-Journalistin und Schriftstellerin Antonia Baum im „Deutschlandfunk“ zu dem Thema gesagt hat.

Strukturell ist es in den Redaktionen tendenziell wohl immer noch so, dass mehr Männer als Frauen in den Literaturredaktionen sitzen (obwohl ich als Radiorezensent bei mehreren Sendern seit zwei Jahren ausschließlich mit Frauen zu tun habe).

Ist Takis Würger Literaturkritiker?

Das mit der schleppenden Debatte mag aber auch damit zu tun haben, dass Seifert in ihrem Text Beispiele aus der Literaturkritik anführte, die zwar überzeugend analysiert wurden, aber doch etwas schief wirkten oder zeitlich lang zurückliegen, angefangen mit dem „Spiegel“–Reporter Takis Würger, der über Inger Maria Mahlke herzog, über den „FAZ“-Kritiker Edo Reents, der mit Judith Hermann abrechnete, bis hin zu Denis Scheck, der in einem TV-Literaturtalk in den Spuren von Marcel Reich-Ranicki wandeln wollte im Zusammenhang mit dem ansonsten viel gelobten Debütroman von Deniz Ohde.

Seifert hat da offene Türen eingerannt: Takis Würger, Literaturkritiker? Denis Scheck wiederum ist wahrlich kein ausgewiesener Feminist. Und Edo Reents über Hermann? Das war 2014.Zumal es damals ebenfalls ältere weiße heterosexuelle Kritiker gegeben hat, die den Reents-Verriss reichlich seltsam fanden.

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Ähnlich der von Seifert beklagte Umgang mit Karen Köhler: Deren Roman „Miroloi“ kam 2019 bei der Kritik nicht gut weg, wurde aber auch von männlichen Kritikern durchaus differenziert verrissen. Seifert räumt am Ende ihres Textes ein, (dieser ist ein Auszug aus ihrem im Herbst erscheinenden Buch „Frauenliteratur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“), dass es natürlich auch „respektvolle Literaturkritik“ gebe.

System innerhalb der patriarchalen Gesellschaftsordnung

„Aber gerade die besonders erfolgreichen Autorinnen müssen damit rechnen, extra heftig attackiert zu werden“, resümiert sie und erklärt mit der Philosophin Kate Manne den Begriff der Misogynie, der „ein System innerhalb der patriarchalen Gesellschaftsordnung“ bezeichne, „das Frauen kontrolliert und unterwirft, in die Schranken weist, zum Schweigen bringt.“

Das Bewusstsein dafür, das Seifert wecken will, scheint größer zu werden. Womöglich ist es da? In der Jury für den Deutschen Buchpreis 2021 sitzen fünf Frauen und zwei Männer. Und auch bei Thea Dorns Literarischen Quartett kann man am Freitag mit Juli Zeh, Sibylle Lewitscharoff und Jagoda Marinić einer Runde ganz ohne Männer beim Reden über Bücher zuhören und zusehen.

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