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Pariser Parade am Nationalfeiertag. Fremdenlegionäre am 14. Juli 2010.

© picture alliance / dpa / Horacio Villalobos

Militärgeschichte: Schwere Schritte durch den Wüstensand

Eckard Michels schreibt eine Historie der Fremdenlegion.

Seltsame Geschichten ranken sich um die Fremdenlegion. Eine Handprothese aus Holz ist die wichtigste Reliquie für die Legionäre – noch heute. Dabei ist der, der sie benutzte, seit 150 Jahren tot, erschossen bei einem Feuergefecht mit Mexikanern, als er eine Finca bis zuletzt verteidigte. Die Hand ruht im französischen Hauptquartier der Legion und wird zu feierlichen Anlässen hervorgeholt.

Oder das „Anonymat“ – die Möglichkeit, sich mit dem Eintritt eine neue Identität zuzulegen und eine womöglich düstere Vergangenheit hinter sich zu lassen. Oder die Marschgeschwindigkeit bei der jährlichen Truppenparade auf den Pariser Champs-Elysées: 88 Schritte pro Minute statt der 110 Schritte, die die übrigen Armee-Einheiten machen. Die Legionäre marschieren deshalb am Schluss der Parade – und erinnern damit ans langsame Vorankommen im Wüstensand ihres über lange Jahre wichtigsten nordafrikanischen Einsatzgebiets.

Eckard Michels’ Interesse an solchen Anekdoten ist indes begrenzt. Er streut sie in seine chronologische Darstellung der Fremdenlegionsgeschichte lediglich ein: Er interessiert sich nicht zuletzt für die Deutschen, die dabei eine Rolle spielten.

Mehr als eine zeitgeschichtliche Fußnote

Der am Londoner Birkbeck College lehrende Militärhistoriker, der sich diesem Thema 1999 schon einmal in einer eigenständigen Publikation widmete, weist darauf hin, „dass zwischen 1945 und 1962 etwa 50 000 Deutsche in ihren Reihen erst im Indochina- und dann im Algerienkrieg kämpften, einige Tausend von ihnen fielen und sie ihrerseits Zehntausende von Asiaten und Nordafrikanern töteten, mehr als eine zeitgeschichtlichen Fußnote“.

[Eckard Michels: Fremdenlegion. Geschichte und Gegenwart einer einzigartigen militärischen Organisation. Herder Verlag, Freiburg 2020. 463 Seiten, 40 €.]

Viele Legionäre haben später Memoiren über diese Kriege geschrieben. Michels stützt seine Darstellung auch auf ihre Erinnerungen. Es ist eine spezielle Beziehung, die deutsche Legionäre mit der französischen Truppe verbindet. Ihr Name verweist auf ihre Gründung als eine Einrichtung militärischer Art für Fremde, die sich im Frankreich der frühen 1830er Jahre gesammelt hatten: Zu rund 10 000 Spaniern, Italienern und Portugiesen kamen politische Flüchtlinge aus Deutschland, die mit den restaurativen Tendenzen und Verfolgungen in ihren König- und Fürstentümern haderten.

Im liberalen Frankreich unter dem Bürgerkönig Louis-Philippe beobachteten sie derweil die Entwicklung in ihren Heimatländern. Um die Flüchtlinge nicht einfach alimentieren zu müssen, bot ihnen der französische Staat den Dienst in einer Armee der Nicht-Franzosen an: kommandiert von französischen Offizieren, versorgt für mindestens fünf Jahre und mit der Möglichkeit, nach dem Dienst französischer Staatsbürger zu werden.

Fieberkurve des Wohlstands

Einer Fieberkurve gleich, so Eckard Michels, bilde die Geschichte der Fremdenlegion die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen Europas im 19. und 20. Jahrhundert ab. Wirtschaftlich lassen sich an den Rekrutierungs- und Eintrittsstatistiken der Legion die Krisen ganzer Länder erkennen: Die Legion war eben immer auch eine Möglichkeit für die ganz Armen, ein Auskommen zu finden, fast wie für die Landsknechte des Mittelalters.

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Politisch wurde die Legion – als Spezialtruppe des französischen Staatsoberhaupts – dorthin kommandiert, wo man militärische Durchsetzungskraft anwenden wollte, ohne darüber zunächst parlamentarisch zu diskutieren. Die Legion war, wenn man so will, die Faust Frankreichs in Nordafrika, die Waffe der Kolonialisten in vielen Jahrzehnten.

1946 kam der acht Jahre währende französische Indochinakrieg dazu, der auch Vietnam sowie Teile von Laos und Kambodscha erfasste. Die militärischen Auseinandersetzungen dort wirken heute wie Politik aus einer lange versunkenen Epoche. Franzosen, Briten und Amerikaner verfochten ihre Herrschaftsansprüche und scheiterten an nationalrevolutionären Bewegungen. „Schmutzig“, aber „attraktiv“ sei der Einsatz dort für die Legionäre gewesen, schreibt Eckard Michels – und stellt den Dschungel- und Guerillakrieg doch über viele Seiten packend dar.

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