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Black Beauty. Don Cheadle als Miles Davis.

© Brian Douglas / Sony Pictures

"Miles Ahead" auf der Berlinale: Mit vollendeter Glaubwürdigkeit

Zwischen erzählerischer Freiheit und Faktentreue hält er mustergültig die Balance: Don Cheadle als Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur für den Miles-Davis-Film "Miles Ahead".

Von Gregor Dotzauer

Um dem Geheimnis seiner Trompetenstimme auf die Spur kommen, ist ein Spielfilm eigentlich das Allerletzte. Denn was soll er einem Werk hinzufügen, das im Jazz des 20. Jahrhunderts einzigartig aufragt? Ohne die authentische Musik, die Miles Davis zwischen „Miles Ahead“ (1957) und „Agartha“ (1975) aufgenommen hat – eisenharte Fans mögen die Perspektive auf die Bebop-Phase zuvor und die zusehends weichgespülte Fusionphase danach ausdehnen – geht es nicht. Man würde sich seiner besten Voraussetzungen entledigen. Ohne die tiefe Kenntnis der zusammen mit Quincy Troupe verfassten „Autobiografie“ und Jack Chambers’ Biografie „Milestones“, aus der Troupe sich großzügig bedient hat, geht es ebenso wenig. Will man Davis etwa noch mehr Drogen- und Frauengeschichten andichten?

Nein, das Leben des Künstlers liegt in Mike Dibbs’ Dokumentation „The Miles Davis Story“ sogar in bewegten Bildern zuverlässig aufbereitet vor. Es verhält sich höchstens so, dass auch die sorgfältigste Sammlung von Zeugnissen geschweige denn die musikwissenschaftliche Analyse seinen Verlorenheitston nicht vollständig fassen können. Nur muss man deshalb im Fiktionalen nach dem Mythos greifen?

Fünf Jahre war Davis in der Sucht versackt

Der amerikanische Schauspieler Don Cheadle, der für „Miles Ahead“ nicht nur die Hauptrolle, sondern auch Drehbuch und Regie übernommen hat, wirft sich überdies einen Knüppel zwischen die Beine, indem er von Davis kurz vor dem Auftauchen aus seiner schlimmsten Drogenphase zu Anfang der 80er Jahre erzählt. Fünf Jahre lang war Davis, ohne ein Album zu produzieren, in seiner Sucht versackt. Mit der Befreiung, die ein penetranter „Rolling Stone“-Journalist (Ewan McGregor) auf den Weg bringt, der Davis durch einen aufregenden Parcours auf der Suche nach gestohlenen Musikbändern begleitet, bricht der unmaßgeblichste Abschnitt seiner Karriere an.

Türen zum Ganzen dieses Lebens

Cheadle aber vollbringt das Wunder, aus diesem Krisenmoment heraus Türen zum Ganzen dieses Lebens zu öffnen. Zwischen erzählerischer Freiheit und Faktentreue hält er mustergültig die Balance. Was rein technisch Rückblicke sind, explodiert in einem impressionistischen Feuerwerk, in dem Gegenwart und Vergangenheit einander durchdringen. Buchstäblich geschieht dies, als der hüftkranke Kokser einen verbrecherischen Musikimpresario (Michael Stuhlbarg) während eines Boxkampfs zu stellen versucht, von der Furie seiner geschiedenen Frau Frances (Emayatzy Corinealdi) gejagt wird und eine junge Version seiner selbst im Ring auftritt. Ähnlich überzeugend jongliert er auf der Szene und im Soundtrack mit Musik aus verschiedensten Epochen.

Don Cheadle hat für die Rolle eigens Trompete gelernt, und obwohl man ihn nie wirklich spielen hört, verkörpert er Würde und Wahnsinn von Miles Davis bis zum Kehlkopfkrächzen mit vollendeter Glaubwürdigkeit. Der kontrollwütige Davis Estate mag als Ko-Produzent dafür gesorgt haben, dass die Details stimmen. Das Verdienst, dabei auch den Geist des Meisters getroffen zu haben, gehört vor allem dem Regisseur.

19.2., 12.30 Uhr (Zoo Palast 1), 21.2., 10 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)

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