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Seit Jahrzehnten ist er Griechenlands bedeutendster Komponist: Mikis Theodorakis

© picture alliance / dpa

Mikis Theodorakis wird 95: Im Herzen Europas

Er ist ein griechisches Heiligtum, sein Sorbas-Sirtaki die heimliche Nationalhymne: Sommergedanken zum 95. Geburtstag von Mikis Theodorakis.

Tausendmal gehört das Lied, oft dazu getanzt und getrunken und von Griechenland geträumt, wenn es dann bloß in einer Kreuzberger Taverne war. Der Sorbas-Sirtaki ist ikonisch, das griechische Wort passt hier einmal sehr gut. Von Ikonen strahlt göttliches Licht, so sagen die orthodoxen Gläubigen, und auch wenn der Sorbas-Komponist Mikis Theodorakis als Heiliger der Linken galt – in seinen Kompositionen, den großen sinfonischen Werken, den mächtigen Chorälen klingt die Religiosität des östlichen Mittelmeeres durch, des älteren Christentums, wie es Nikos Kazantzakis, der Schöpfer des „Alexis Sorbas“, in seinen Büchern hart und archaisch beschreibt.

Mikis Theodorakis feiert an diesem Mittwoch seinen 95. Geburtstag. Sein Leben, seine Biografie hat biblische Ausmaße. Und es gab viele Verbindungen nach Deutschland. Wie hat die Wehrmacht in Griechenland gewütet! Und dann war es, so wird erzählt, Beethovens Neunte, die der junge, 1925 auf der Insel Chios geborene Mikis 1942 in einem Kino hörte und die ihn bewog, Komponist zu werden. Der berühmteste seines Landes! 1944 geht er zum bewaffneten Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Im Bürgerkrieg gerät er in Gefangenschaft, wird deportiert und gefoltert. Er arbeitet an Kammermusik und Größerem.

So geht es über Jahrzehnte. Musik und Kampf. 1967 putscht die Militärjunta. Die Musik von Theodorakis, der schon berühmt ist, wird verboten. In der Verbannung studiert er mit einem Priester byzantinische Musik. 1970 geht er nach Paris ins Exil, wo er Mitte der Fünfzigerjahre bei Olivier Messiaen Komposition studiert hatte.

Irgendwo laufen seine Lieder immer

Man kann nicht nach Griechenland reisen, ohne mit Theodorakis in Kontakt zu kommen. Irgendwo laufen seine Lieder immer. Auch im Corona-Sommer 2020. Mag sein, die griechischen Gastronomen denken, dass die Urlaubsgäste, die Deutschen zumal, das hören wollen. Aber es finden sich in diesen Wochen auf Chalkidiki, auf dem Peloponnes kaum Reisende. Der Strand ein künstliches Covid-Paradies für Privilegierte. Fast privat. Kaum Umsatz, viele Angestellte im Hotel, in den leeren Touristengeschäften.

Das zu sehen, tut weh, wenn man darüber nachdenkt, was Griechen in den letzten Jahren durchgemacht und geleistet haben. Die Finanzkrise traf das Land extrem hart. Bald darauf kamen die verzweifelten Menschen über das Meer auf die Inseln und aufs griechische Festland, die vor Krieg und Verfolgung fliehen mussten, und das hört nicht auf. Schlimm ist die Situation der Menschen auf Lesbos in den Lagern. Und dann die Pandemie, mit der die griechischen Behörden bis jetzt einigermaßen gut fertigwerden.

Von 1990 bis 1992 war er Minister

Theodorakis wurde auf einer Demonstration gegen die Finanzkrisen-Troika in Athen verletzt, er saß im Rollstuhl. 1990 war er Minister in der Regierung von Konstantinos Mitsotakis, des Vaters des jetzigen Ministerpräsidenten. Er hat das später als Fehler bezeichnet. Aber es zeigt sein Engagement, ohne Ende. Zuvor hatte er für das Bürgermeisteramt in Athen kandidiert, für Amnesty International gearbeitet und sich für bessere Beziehungen zur Türkei eingesetzt. Welttourneen, Opern, Sinfonien. Zur Lyrik hat er ein enges Verhältnis, vertont Odysseas Elytis, Jannis Ritsos und Pablo Neruda.

Man kann diesen Mann und seine Kräfte nur bewundern. Und die Griechenlandliebe erwacht immer wieder aufs Neue, Reisen und Kultur sind hier so eng miteinander verknüpft. Im Corona-Sommer spürt man es besonders: Es fühlt sich an wie eine Heimkehr, im Zentrum Europas. Die Griechen müssen sich abmühen wie Sisyphos, sie erleben eine Krise nahtlos nach der anderen. Hoffentlich schaffen sie es.

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