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Die Performance der Belgierin Miet Warlop ist vom Sufi-Ritual der tanzenden Derwische inspiriert.

© Reinout Hiel

Miet Warlop im HAU2: Finde deinen eigenen Dreh!

Performer am Rotieren: Miet Warlops Tanzperformance „Ghost Writer and the Broken Hand Break“ im HAU2.

Von Sandra Luzina

Drehtänze sind gerade sehr angesagt auf der Bühne. Versprechen sie doch eine ekstatische Erfahrung für Performer und Publikum. In „Ghost Writer and the Broken Hand Break“ begibt sich nun auch die belgische Performance- und Installationskünstlerin Miet Warlop auf den Sufi-Trip. Denn vom Ritual der tanzenden Derwische sind die zeitgenössischen Kreiseltänze ja abgeleitet.

Miet Warlop aber hat präsentiert eine aufgemotzte Version: Wenn die Zuschauer das HAU2 betreten, sind die Performer schon am Rotieren. Warlop sowie Joppe und Wietse Tanghe drehen sich unentwegt um die eigene Achse – und zwar gegen den Uhrzeigersinn. Die Brüder – Joppe ist Musiker, Wietse Schauspieler – haben lange blonde Locken und treten mit nackten Oberkörper auf, was ihnen einen Rockstar-Appeal verleiht. Miet Warlop wirkt dagegen ganz dezent im hüftlangen grauen Pullover.

Die drei Performer bewegen sich in einem Lichtkreis und zirkulieren mit ausgebreiteten Armen, jeder in unterschiedlichem Tempo, Miet Warlop etwas langsamer als die Männer. Die rechte Hand der Tänzer ist farblich markiert – so ergibt sich eine bewegte Komposition aus Gelb, Blau und Rot. Doch Geisterhände mischen nicht mit in „Ghost Writer and the Broken Hand Break“.

Das Kreiseln beginnt sacht und steigert sich langsam

Das Hebbel am Ufer experimentiert ja gern mit neuen Formaten, bei denen die Trennung zwischen Künstlern und Publikum aufgehoben wird. Unversehens findet man sich da schon mal in einem zeitgenössischen Ritual wieder. Wobei die vermeintliche Nähe zu den Performern nicht immer behaglich ist. Hier sitzen oder stehen die Zuschauer im Kreis um das Dreigestirn, deren Spielraum durch Lichtspots begrenzt ist, die sich im Laufe der Performance verschieben.

Zuerst hört man in der Stille die Tänzer laut atmen, verstärkt durch Mikroports. Das Kreiseln beginnt sachte und steigert sich langsam zu einem Wirbeln. Der Drehtanz zeichnet sich durch Kontrolle und Hingabe aus. Er erfordert eine hohe Konzentration. Die Zuschauer, die sich in den Anblick der kreisenden Tänzer versenken, geraten selbst in eine Art Trance. Immer nur drehen und drehen, das ist den belgischen Performern auf die Dauer aber zu langweilig.

Joppe Tanghe zündet sich eine Zigarette an, pustet Rauchkringel in die Luft, während er sich weiterdreht. Was ein witziger Bruch ist. Später kommen auch Soundelemente hinzu. Aus anfangs langsamen Schlägen entsteht ein schneller Techno-Beat. Ausgelöst werden die Rhythmen durch Schläge auf den Körper. Doch auch vorproduzierter Sound wird unterlegt.

Die Aufmerksamkeit ist nach innen gerichtet

Ein Assistent nähert sich den Performern mit Instrumenten. Joppe hängt sich eine E-Gitarre um und beginnt, einige Riffs zu spielen. Miet Warlop hat anfangs schon ein Gesangssolo beigesteuert. Nun lässt sie sich ein Becken reichen, während Wietse zur Trommel greift. Die Tanzperformance wird zum rockigen Live-Konzert. Die Performer versuchen sich in einer Art Multitasking, erhöhen das Energielevel. So entsteht ein merkwürdiger Hybrid.

Die Aufmerksamkeit beim Drehtanz ist nach innen gerichtet. Der islamische Mystiker sucht die Verbindung zu einer göttlichen Sphäre. Der westliche Tänzer strebt vielleicht nach einer Harmonie mit den Bewegungen des Universums. Klar, um spirituelle Praxis geht es Miet Warlop nicht, sondern eher um einen Selbsterfahrungstrip. Doch durch das Erzeugen von Klängen bei fortlaufendem Kreisen wird die Energie nach außen gerichtet. Miet Warlop hat eine Club-taugliche Version des Drehtanzes entwickelt. Doch abheben kann man hier nicht wirklich. Nach 40 Minuten ist der Bühnenspuk schon wieder vorbei.

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