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Michael Angeles Büchlein "Der letzte Zeitungsleser": Lesen! Auf Papier! Ja! Doch! Unbedingt!

Der Journalist Michael Angele hat eine heiter-melancholische Hymne auf den letzten Zeitungsleser geschrieben. Na klar, da stimmen wir eben mal ein.

Hat schon was Luxuriöses, morgens in der U-Bahn eine weltformatige Zeitung richtig aufzufalten, nun ja, nicht ganz frühmorgens, dafür ist eine solche Lektüre zu raumgreifend, aber an der Tür zum Beispiel ist jetzt ganz gut Platz. Und es raschelt. Und raschelt. Wie schön es raschelt. Hört mal alle her, wie es raschelt – ja, ihr da alle, die ihr euch gerade die Welt aus der Hand lest!

„Der letzte Zeitungsleser“ – so hat Michael Angele sein neues, durchweg in lustigem Schmalsatz mit reichlich Weißraum drum herum gedrucktes Büchlein genannt – ist man damit noch nicht unbedingt, aber zumindest einer der zählbar späteren Genussraschler im öffentlichen Personennahverkehr. Wobei Angele, dessen Name gleich unter dem in „FAZ“-Fraktur gesetzten Titel steht, nicht in erster Linie Zeitungsleser, sondern Zeitungsmacher ist – als stellvertretender Chef des „Freitag“ zudem einem Organ vorstehend, das er, weil Wochen(end)zeitung, in seinem heiter-nostalgischen 153-Seiten-Feuilleton forsch optimistisch vom viel beraunten bevorstehenden allgemeinen Zeitungsverscheiden ausnimmt. Aber ein melancholischer Liebhaber all der Dahinsiechenden ist er doch.

Buchvorstellung im taz-Café

Am Donnerstagabend, bei einer so kleinen wie feinen wie flinken Buchvorstellung im taz-Café, bekennt er folglich, er habe „konsequent aus der Leserperspektive“ schreiben wollen, und das geht auch überwiegend wunderhübsch auf. Ursprünglich sei es ihm um die Ergründung der legendären Zeitungssucht Thomas Bernhards gegangen, der zum Erwerb der „NZZ“ zur Not ganze Tagesreisen auf sich nahm; weil aber auch die eigene Recherche sich als arg beschwerlich erwiesen habe, sei er selber schreibenderweise vom Hundertsten ins Zweihundertste gekommen. Nun, so sagt er’s nicht wörtlich, aber dafür steht das Zitat hier auch nicht in Anführungszeichen.

Zeitungslesen sei „Erregungskunst“, schreibt Angele, also auch Ärger-, manchmal gar Hassmaterial. Aber ja! Auch zur eigenen Zeitungslesesucht bekennt er sich, wobei er sonntags nur die „FAS“ gelten lässt. Gründlich-sachlich-kritische Rückfrage: Fehlt da nicht was? Andererseits gehöre zum Zeitunglesen „die stille Bewunderung für einen Autor“: aber gerne doch! Den Zeitungsverlagen wiederum empfiehlt er in einer besonders hübsch garstigen Passage, sie mögen ihre Auslieferung künftig auf die Urlaubsgebiete konzentrieren, denn in den Ferien verhalte sich der Mensch und folglich auch der Nachrichtenverbraucher „unzeitgemäß, immer etwas in der Vergangenheit lebend“.

Erhard Schütz moderiert die Lesung seines Ex-Studenten

So ’ne Sachen eben. Und dann ist da noch der Professor Schütz, der auch in seinem Buch vorkommt, vorgestellt als ein leidenschaftlicher Tagesspiegel-Leser übrigens, was man von dem ebenfalls vorkommenden Claus Peymann nicht gerade behaupten kann. Den Tagesspiegel habe er abbestellt, gesteht Peymann Angele in einem vielleicht ein bisschen arg ausführlich dokumentierten Monolog, schließlich habe er das Gefühl, dessen Macher hätten aufgegeben. „Die wissen, dass Sie dem Tod geweiht sind. Und so schreiben sie auch.“ Einspruch, Euer Intendantenehren!

Erhard Schütz übrigens, seines Zeichens bedeutender Berliner Germanistik- und Publizistikprof, sitzt leibhaftig moderierend neben seinem einstigen, ganz bisschen nervösen Studenten, und zwischen den Lesehäppchen werfen sich die beiden ein paar Plauderbällchen hin und her. Nur die erste Bemerkung Schützens geht etwas daneben. Oder trifft voll, je nachdem. Man sei ja hier im taz-Café, wo denn bei der häufigen Vokabel „Zeitungsleser“ in dem Buch das „Binnen-I“ bleibe? Angele, verdattert: „Also, das hat mich noch niemand gefragt.“ Mit anderen Worten: ZeitungsleserInnen aller Ränder, vereinigt euch! Raschelnd.

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