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Für ihre Arbeit "Tempelhof" hat Diane Meyer ein Flughafenbild bestickt.

© The Curve/Diane Meyer

Messe Positions bei der Art Week: Startbahn für Träume

Eine Messe mit 130 Galerien: Die Positions trotzt allen Krisen des Kunstmarktes und legt zur Art Week einen großartigen Auftritt im ehemaligen Flughafen Tempelhof hin.

Am Stand der Galerie Tammen scheint alles nach Plan zu laufen. Die Künstlerin Marion Eichmann zeigt dort eine jener schwarzen Tafeln, auf denen Flughäfen ihre Passagiere analog informieren: Der Flug nach Rom beginnt demnach gerade mit Boarding, die Maschine nach Agadir hat ihre Türen bereits geschlossen.

Zu spät ist im Hangar allerdings nur, wer die Arbeit der Berliner Künstlerin erwerben will. Das illusionäre Objekt, eine Täuschung aus farbigem Papier, hat schon zur VIP-Voreröffnung der Messe Positions seinen Fan gefunden. Bedauerlich für jene, die Eichmanns schöpferische Fantasie erst jetzt nach ihrer großen Soloschau im Waiblinger Museum Galerie Stihl für sich entdecken. Für die Messe aber demonstrierte dieser erste Durchgang noch während des Aufbaus, den die Positions traditionell als exklusiven „Behind the Scene“-Blick knapp 100 Sammlerinnen und Sammlern ermöglicht, eine heiß ersehnte Normalität.

Temperaturmessung am Eingang

Denn was Kristian Jarmuschek und Heinrich Carstens als Messe-Direktoren in zwei Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof wagen, birgt aktuell ein enormes Risiko. Ein finanzielles, kein gesundheitliches: Das Team hat über Monate an einem Konzept gearbeitet, das sämtlichen Corona-Bestimmungen gerecht wird und einem trotzdem nicht den Spaß am Kunst-Parcours verdirbt. Es sei denn, man stört sich an einer Temperaturmessung am Eingang oder der Tatsache, dass nicht mehr als 750 Besucher gleichzeitig eingelassen werden. Doch nach der langen Pause, in der wegen Covid-19 überall auf der Welt Messen abgesagt wurden, vermag gerade niemand vorherzusagen, wie das Publikum nach der Eröffnung der Positions reagiert. Zögerlich, ängstlich, abwesend oder mit neuer Schau- und Kauflust?

Der erste Test war jedenfalls ein Erfolg. Galerien wie Thomas Fuchs aus Stuttgart verkauften nahezu den Stand aus. Die Bilder der beiden jungen Künstler Mona Ardeleanu und Yongchul Kim zu Preisen zwischen 4000 und 11 000 Euro tragen rote Punkte; genau wie ein großes Gemälde von Rainer Fetting, dessen Werke locker das Fünffache kosten. Dabei gibt Fuchs zu, dass er erst einmal gezögert habe: 130 Aussteller in einem Raum in Corona-Zeiten? Die Verdoppelung der Fläche, die luftigen Hallen und nicht zuletzt das Hygienekonzept der Positions hätten ihn dann jedoch überzeugt.

Messerscharfe Siebdrucke

Zum Glück, muss man sagen. Fuchs wird, genau wie die prominenten Newcomer Michael Fuchs, Thomas Schulte oder die Galerie König, Zeuge eines Qualitätssprungs. Der gelingt, weil man mit der Paper Positions (die im Frühjahr wegen Corona nicht stattfinden konnte) und der Photo Basel zwei weitere spezialisierte Plattformen für Kunst mit Papier beziehungsweise Fotografie dazugenommen hat. Galerien wie Bildhalle aus Zürich untermauern diesen Gewinn mit Bildern etwa von Mika Horie oder Miriam Tölke, bei Commeter aus Hamburg sind die hauchfeinen Tuscharbeiten von Minjung Kim zu sehen. Die DavisKlemmGallery bietet messerscharfe Siebdrucke aus der Reihe „Profiles“ von Michael Craig-Martin an (je 1950 Euro), am Stand von Michael Haas verzaubern die fließenden Landschaftsabstraktionen des Berliner Künstlers Jakob Mattner. Beim Kunsthandel Kunkel Fine Art aus München gibt es neben Blättern von Otto Dix oder Lotte Laserstein diesmal auch zeitgenössische Modezeichnungen

Der zweite Coup aber ist dieAusweitung der Messe auf zwei Hangars. So viel Platz war noch nie, und die Galeristen reagieren darauf mit Ständen, in denen die Kunst endlich adäquat Platz bekommt. Der intensiven Farbmalerei eines Chen Ruo Bing am Stand der Galerie Albrecht (19 000 Euro) tut dies ähnlich gut wie den Holzreliefs von Willi Siber, die mit Interferenzlack überzogen sind und ununterbrochen changieren (Galerie Schmalfuß, 8600 Euro). Selbst wo die Dichte der Impressionen gewollt ist wie in der Zusammenschau der farbigen Körperabdrücke von Rabin Huissen (Galerie Chrysalid), stellt sich mehr das Bild einer kuratierten Ausstellung denn einer Messe ein.

Farbfeldmalerei auf Chiffon

Eine Übersichtlichkeit, die den Blick für allerfeinste Zeichnungen wie die von Yana Ar (Galerie Almacén, Jaffa) überhaupt erst möglich macht. So entdeckt man Künstler wie den Fotografen Imraam Christian (Atco Gallery) oder den jungen Maler Artjom Chepovetskyy am Stand der Frankfurter Galerie Heike Strelow, dessen pastose Farbfeldmalerei auf Chiffon eine umwerfende Wirkung besitzt – zu erschwinglichen Preisen zwischen 2400 und 4200 Euro.

Es gibt viele solcher Namen, die auf dem Kunstmarkt (noch) keine große Rolle spielen und deshalb hier in Ruhe entdeckt werden können. Dazwischen etablierten Größen wie Walter Stöhrer, den die Berliner Galerie Nothelfer gleich am Eingang der Messe mit einem Gemälde (60 000 Euro) der neunziger Jahre präsentiert, während sie an einer anderen Wand frühe Zeichnungen zum Bruchteil dieses Preises zeigt. Es gibt die „Selected Positions“ mit kleinen Arbiten unter 1900 Euro und die „Academy Positions“ mit Malerei und Skulpturen von Künstlern, die noch studieren. Schließlich die „Fashion Positions“ für Designer an der Schnittstelle zwischen Kunst und Mode sowie mehrere Auszeichnungen – unter anderem des VBKI-Preises für Berliner Galerien –, die auf den großzügigen Frei(luft)flächen des Areals stattfinden.

Plattform für den Einstieg

All das ist mit einem Besuch kaum zu bewältigen. Und dennoch genügt ein erster Eindruck, um die Realisierung der Messe für die beste Entscheidung zu halten, die das Team trotz aller Widrigkeiten gefällt hat. Die Positions ist absolut gelungen, eine Plattform zum Einstieg für Kunstinteressierte wie für Experten. Nun muss das Publikum bloß noch kommen (Positions / Paper Positions / Photo Basel, Hangar 3 & 4, Flughafen Tempelhof, Columbiadamm 10, 11./12. 9. von 14–20 Uhr, 13. 9. von 13–18 Uhr, www.positions.de).

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