zum Hauptinhalt
Thomas Bernhard 1971 in einem Kaffeehaus bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen.

© picture-alliance / IMAGNO/Nachlass Otto Breicha

Meister im Demütigen: Zum 90. Geburtstag von Thomas Bernhard

„Für die Ewigkeit ist überhaupt nichts. Ich bin für die mittlere Ewigkeit“, sagte Thomas Bernhard einmal. Und behielt recht.

Als Thomas Bernhard einmal gefragt wurde, ob er glaube, dass seine Sprache für die Ewigkeit sei, antwortete er: „Für die Ewigkeit ist überhaupt nichts.“ Und dann: „Ich bin für die mittlere Ewigkeit. Vielleicht. Ja.“ Vor über dreißig Jahren, am 12. Februar 1989 ist der österreichische Schriftsteller gestorben.

An diesem Dienstag wäre er, was ja menschenmöglich ist, 90 Jahre alt geworden, und es scheint, als habe er sich ganz gut eingerichtet in dieser mittleren Ewigkeit.

Kaum jemand aus seinem Umfeld, der sich nicht in schriftlicher Form an ihn erinnert hat, und wenn es der Immobilienmakler Karl Ignaz Hennetmair war. Zu seinem 90. hat nun der sieben Jahre jüngere Bruder Peter Fabjan in einem Buch sein Leben an der Seite von Thomas Bernhard geschildert. Fabjan spart darin nicht mit Charakterisierungen aus familiär berufenem Mund.

Sein erstes Lebensjahr verbrachte er auf einem Fischkutter

Zum Bespiel beschreibt er Bernhard als „eifersüchtig und Meister im Demütigen“, als „Phantom“ wie als „Dämon“. Und Fabjan stellt die gesamte Sippe vor, aus der er und sein Bruder stammen – was unweigerlich die abermalige Lektüre von Bernhards Autobiografie provoziert. Diese Bücher erschienen zwischen 1975 und 1982 und erzählen von seiner Kindheit und Jugend in Wien, Seekirchen, Traunstein und Salzburg.

Man erkennt in den fünf Bänden stilistisch, sprachlich und formal den ganzen Bernhard. Er gehörte zu der Zeit längst zu den meistgespielten Autoren auf deutschsprachigen Theaterbühnen und hatte viele literarische Preise bekommen, darunter 1970 den Georg-Büchner-Preis.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Doch hier ist Bernhard ganz und gar im eigenen Leben unterwegs. Er schildert, wie das Demütige und Ungehorsame ihn ausmachen, fragt sich, was sein leiblicher Vater für einer war, betreibt Ursachenforschung, so wie es die Hauptfigur seines Romans „Das Kalkwerk“ sagt: „Man suche hinter chaotischen oder wenigstens hinter merkwürdigen, jedenfalls hinter außergewöhnlichen Zuständen naturgemäß immer gleich nach der Ursache.“

Chaotisch war diese vom Nationalsozialismus und Krieg mitbestimmte Kindheit, angefangen vom ersten Lebensjahr, das der 1931 im holländischen Heerlen zur Welt gekommene Junge als Pflegekind auf einem Fischkutter verbracht hat, in einer Hängematte unter Deck. „Sieben bis acht Neugeborene hingen an der Holzdecke des Fischkutters und wurden jeweils nach Wunsch der ein- oder zweimal wöchentlich erscheinenden Mutter von der Decke heruntergelassen und hergezeigt.“

"Ich existierte nur, wenn ich schrieb."

Es folgen zwei Jahre in Wien allein mit den Großeltern, die Übersiedlung mit diesen ins bayrische Traunstein, zurück zur Mutter und ihrem neuen Mann, seinem „Vormund", Emil Fabjan. Und es folgen finstere Lehrjahre auf Schulen, die er abbricht, als Kaufmannsgehilfe und Musikschüler, und hellere bei seinem Großvater, seinem ersten Lebensmenschen, dem Heimatdichter Johannes Freumbichler.

Diesem setzt er in den "Wiener Bücherbriefen" 1957 ein kleines Denkmal mit einem Aufsatz, in dem er Freumbichler als "außerordentlichen Menschen" bezeichnet, "rücksichtslos in seiner Zuneigung zur Welt und in seinem Hass gegen die Niederträchtigkeit der Menschen. Er war auch ein außerordentlicher Schriftsteller, zuletzt ein Dichter, ein geschlagener Geist, den zeitlebens die Melancholie und der unabänderliche Frost des Österreichertums begleiteten."

Eine schwere Lungenkrankheit macht Bernhards Leben zu einem zusätzlich verworrenen, mit Aufenthalten in diversen Kliniken, deren Farbe stets grau ist, so wie die gesamte Autobiografie in ein einziges Grauschwarz getaucht ist.

In „Die Kälte“ erwähnt er die „Hundert, Aberhunderte Gedichte“, die er zuhause als 17-, 18jähriger schrieb, „ich existierte nur, wenn ich schrieb“. Es sollte dann noch dauern, bis 1957 sein erstes Buch erschien, ein Gedichtband, „Auf der Erde und in die Hölle“.

Und wie ging viel später die Unterhaltung über die mittlere Ewigkeit weiter? Bernhard sagte, keine Interesse daran zu haben, dass irgendwas von ihm Bestand haben möge, „nur könnte es sein, dass es meinen Sachen eher widerfährt.“ Bei allem kokettierend-wegwerfend Gesagten, das seine Interviews oft auszeichnete, war dieser Satz prophetisch.

Zur Startseite