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Frauenpower. Szene aus „Killer Pig“ von Sharon Eyal und Gai Behar.

© Regina Brocke/Berliner Festspiele

"Mega Israel" im Haus der Berliner Festspiele: Dreigestirn des israelischen Tanzes

Umwerfend: Die Tanzkompanie Gauthier Dance gastiert in Berlin. „Mega Israel“ versammelt Werke von Hofesh Shechter, Sharon Eyal und Ohad Naharin.

Von Sandra Luzina

Eric Gauthier ist ein echter Coup gelungen. Mit Hofesh Shechter, Sharon Eyal und Ohad Naharin konnte er drei gefeierte israelische Choreografen überreden, seiner Stuttgarter Kompanie Gauthier Dance je eines ihrer Schlüsselwerke zu überlassen. Die Arbeiten des Dreigestirns kompakt an einem Abend zu zeigen, macht durchaus Sinn, denn sie kommen alle aus derselben Schule. Ohad Naharin, lange Jahre künstlerischer Leiter der Batsheva Dance Company in Tel Aviv und heute noch ihr Hauschoreograf, gilt als der Godfather des israelischen Tanzes. Hofesh Shechter und Sharon Eyal haben beide zu Beginn ihrer Laufbahn bei Batsheva getanzt.

Mit „Mega Israel“ kehrt Gauthier Dance ins Haus der Berliner Festspiele zurück. Bei ihrem bejubelten Berlin-Debüt mit Marco Goeckes „Nijinski“ vor einem Jahr haben die Stuttgarter das Festspielhaus noch selbst angemietet. Diesmal sind die Festspiele der Tanzkompanie des Theaterhauses Stuttgart sehr entgegengekommen. Der Titel „Mega Israel“ ist zwar nicht sehr glücklich gewählt, aber als Verneigung vor der überaus vitalen israelischen Tanzszene gemeint.

Hofesh Shechter hat seine frühe Choreografie „Uprising“ für sieben Männer kreiert. Am Anfang gehen zwei Tänzer gleich in den Clinch. Es geht um Dominanzstreben und Aggression. Jede kumpelhafte Geste mündet in einer Rangelei. Eben noch ein zusammengeschweißtes Team, kriegen die Jungs sich gleich wieder in die Wolle. Es hat durchaus Witz, wenn Shechter Männerrituale unter die Lupe nimmt.

Wie in „Uprising“ rohe Energien entfesselt werden, ist zudem enorm packend. Zu den peitschenden Sounds vom gelernten Schlagzeuger Shechter putschen die Tänzer sich hoch zu einem testosterongeladenen Tanz mit eruptiven Bewegungen. Dann gehen die Attacken in geduckte animalische Sequenzen über. Es scheint, als ob die Männer in einen endlosen Kampf verstrickt sind. Shechter zeigt den ziellosen Aufruhr – und einen fast militärischen Drill. Am Ende zitiert er ironisch ein ikonisches Bild des Aufstands. Da bespringen die Männer einander, der zuoberst hält ein rotes Fähnchen hoch.

Zwischen Pose und Provokation: ein Frauen-Sextett von Sharon Eyal

Verglichen mit der hitzköpfigen Männermeute wirkt die Frauenclique in „Killer Pig“ verdammt cool. Sharon Eyal, die das Stück gemeinsam mit ihrem Partner Gai Behar kreiert hat, hat für Gauthier Dance eine neue Version für sechs Tänzerinnen entworfen. Zu monotonen Technoklängen wirbelt das Sextett hier lustvoll die Weiblichkeitsbilder durcheinander.

Sharon Eyal hat einen hochartifiziellen Stil zwischen Minimalismus und Manierismus entwickelt. Sie verarbeitet zahlreiche Anleihen an die Tanzgeschichte, dekonstruiert auch das klassische Ballett. Anfangs noch trippelnde Grazien werden zu kämpferischen Amazonen. Eine Ballerina tanzt sich armflatternd in Raserei, eine andere mutiert zur Spinnenfrau. Zwischen Pose und Provokation, Kontrolle und Ekstase bewegt sich der Tanz. Zum Schluss geht „Killer Pig“ aber etwas die Luft aus.

Die Tänzer bewegen sich durchweg auf hohem Energielevel

Das Finale bildet das vor 20 Jahren uraufgeführte Stück „Minus 16“ von Ohad Naharin, der hier Ausschnitte aus mehreren seiner Werke neu arrangiert hat. Die Musik-Collage vereint unterschiedliche Stile von Mambo bis zu nervigem Berlin-Techno aus den Neunzigern. Überaus bewegend ist die Sequenz, in der die 16 Tänzer in schwarzen Anzügen und weißen Hemden einen Stuhlkreis bilden. Sie springen immer wieder auf und stimmen inbrünstig in den traditionell jüdischen Gesang „Echad mi yodea“ ein, der zum Pessach-Fest gesungen wird. Mehrmals läuft eine Welle durch die Gruppe und schleudert die Tänzer zurück, die doch entschlossen ihren Platz verteidigen. Später reißen sie sich die Anzüge vom Leib und werfen sie auf einen Haufen.

Es folgt ein träumerisches Duett zu Vivaldi-Klängen. Naharin bezieht sich auf die Geschichte Israels, das sich permanent gegen äußere Feinde zur Wehr setzen musste. Er feiert auch die Kraft des Kollektivs. „Minus 16“ ist ein eher heiteres Stück, das Tanzstile von Mambo bis Cha-Cha-Cha parodiert. Zum Schluss fegen die Tänzer mit willigen Zuschauern zu „Sway“ von Dean Martin über die Bühne. Power und Protest, Witz und Verführung: Die Tänzer von Gauthier Dance bewegen sich durchweg auf einem hohen Energielevel. Wie sie sich die unterschiedlichen Stile angeeignet haben, ist umwerfend.

- noch einmal diesen Sonntag, 20 Uhr

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