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Die französische Schriftstellerin Maylis de Kerangal

© AFP

Maylis de Kerangals "Porträt eines jungen Kochs": Mit Genuss und gegen die Zeit

Hinter den Kulissen der Gastro-Welt: Die französische Schriftstellerin Maylis de Kerangal porträtiert einen jungen Koch.

Warum dieses kleine, sehr schöne „Porträt eines jungen Kochs“ von Maylis de Kerangal (Übersetzt von Andrea Spingler, Suhrkamp, 96 S, 12 €.) ausgerechnet 2005 in Berlin beginnt, ist ein bisschen rätselhaft. Ob es die Dönerbude am Mehringdamm ist, die Mauro zu seinem Berliner Lieblingsdöner küren wird? Wohlgemerkt kann das noch nicht „Mustafa’s Gemüse-Kebab“ sein, der hat erst 2006 eröffnet. 

Oder ist es wirklich der Eindruck, den de Kerangals kurzzeitig immer mal aus der Ich-Perspektive berichtende, Mauro anscheinend gut kennende Erzählerin nach der Berlin-Episode hat: dass der angehende Koch in Berlin angefangen hat, „erwachsen zu werden, das Königreich der Jugend hinter sich zu lassen“?

Zu dem Zeitpunkt jedenfalls hat der in einer Künstlerfamilie aufgewachsene Mauro schon in einer Pariser Brasserie gearbeitet, La Gourme, ja, ist die Küche für ihn bereits seit allerfrühester Jugend zu „einem magischen Ort“ geworden.

Genau diese Orte, an denen Mauro schließlich erste Gelder verdient und seine Fähigkeiten am Herd verfeinert, stellt die 1967 in Toulon geborene französische Schriftstellerin nach und nach und kurz und knapp vor: ein Sterne-Restaurant, in dem man den Jungen „wie Dreck“ behandelt, eine weitere Brasserie, ein Feinschmeckerbistro und ein Laden namens La Belle Saison, den Mauro schließlich selbst, zusammen mit seinem Vater Jacques, zu einer ersten Adresse macht, mit einer „geradlinigen Küche ohne gastronomische Verrenkungen“, wie die Kritiker schreiben.

So viele Gerichte! So viele Küchen!

Es geht in diesem Porträt nicht nur um den Werdegang des jungen Kochs, der versucht, so selbstbestimmt wie möglich seine Erfahrungen zu machen, sondern auch hier um das Kochen als soziale Praxis, dort um Hierarchien und Arbeitsabläufe in Küchen, die Herkunft der Lebensmittel; und darum, was für eine Schufterei es ist, zu zweit ein Restaurant zu führen und 24/7 für dieses und mit diesem und letztendlich in ihm zu leben.

Von 15 Uhr bis 18 Uhr hat Mauro ein freies Zeitfenster, danach geht es wieder weiter. Und: „Er ist immer spät dran, seit vier Jahren befinde ich mich im Wettlauf gegen die Zeit, sagte er, als er an einem glühend heißen Tag in Glasschalen mit gezuckertem Rand einen Clementinen-Savarin anrichtet.“

Maylis de Kerangal hat Freude an den Aufzählungen von Zutaten und Gerichten.

So schnell, klar und auf den Punkt sie hier eine poetische Tour de Force durch verschiedene Küchen und Stationen Mauros unternimmt, so sinnlich ist allein die Nennung der Speisen, von der „Makrele mit frischen Himbeeren“ über den „luftigen Kartoffelkuchen mit Blutorangensorbet“ bis zum „Tintenfischsalat mit frischem Fenchel“. Wer will das nicht sofort alles probieren, verzehren? Es ist sprichwörtlich ein Genuss, diesen schlanken und doch so reichen Roman zu lesen, Mauros Entwicklung zu verfolgen und einen Blick hinter die Kulissen der Gastro-Welt zu werfen; ein Blick, der übrigens genauso Paris streift, die Essgewohnheiten, den Lifestyle und die Restaurantgepflogenheiten der französischen Hauptstadt. Nach der Lektüre will man auch da sofort hin, allein des Essens wegen.

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