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Pracht mit kolonialer Vergangenheit. Johan Maurits ließ das Haager Mauritshuis erbauen. Er war Gouverneur von Niederländisch-Brasilien von 1636 bis 1644.

© Mauritshuis/ Ivo Hoekstra

Mauritshuis in Den Haag: Niederländisches Museum untersucht seine Verwicklung in kolonialen Sklavenhandel

Das Mauritshuis in Den Haag wurde von einem Kolonialisten gegründet. Stammte das Geld für den Bau des Museums aus dem Sklavenhandel? Forscher spüren der Herkunft nun nach.

Es ist eines der bedeutendsten Museen der Niederlande, Königliche Gemäldegalerie seit 1822 und eine der Top-Sehenswürdigkeiten Den Haags: Das Mauritshuis liegt gleich neben dem Binnenhof, dem Parlaments- und Regierungszentrum der Niederlande. Namensgeber ist Johan Maurits von Nassau-Siegen, der es einst als sein Wohnhaus hat bauen lassen.

In Vergessenheit geriet allerdings die Tatsache, dass das Palais schon zur Zeit seiner Entstehung von den Leitern der West-Indischen Compagnie höhnisch als „Zuckerpalast“ bezeichnet wurde. Johan Maurits war von 1636 bis 1644 Gouverneur der Kolonie Niederländisch-Brasilien, und nur mit seinem stattlichen Gehalt von 120 000 Gulden im Jahr konnte er sich nach seiner Rückkehr den Prachtbau leisten. Als Oberst des Heeres der Republik der Vereinigten Niederlande verdiente er hingegen „nur“ 20 000 Gulden im Jahr. Hinzu kamen Tantiemen auf Kaperfahrten und von Plantagenbesitzern.

Breite Diskussionen über Rolle des Sklavenhandels

Die Debatte um Johan Maurits entbrannte vergangenes Jahr, als das Mauritshuis eine Büste des Namensgebers aus dem Foyer entfernte, gleichzeitig aber ein Kabinett mit einer kleineren Büste und Gemälden von Frans Post einrichtete, den Maurits mit nach Brasilien genommen hatte. So wie man in Berlin um das Humboldt Forum diskutiert, über die Einbindung der Wissenschaftler aus den Herkunftsländern redet, hat sich das Mauritshuis entschlossen, die Geschichte seines Namensgebers in einem groß angelegten internationalen Forschungsprojekt zu untersuchen. Die niederländische Rolle im internationalen Sklavenhandel wird derzeit von einer breiten Öffentlichkeit diskutiert, und so ist es nur passend, dass sich das Museum seiner kolonialen Vergangenheit stellt.

Dass Johan Maurits sein Haus mit den Erlösen aus den brasilianischen Zuckerplantagen finanzierte, schreibt er selbst in einem Brief an den Staatsmann Constantijn Huyghens 1641: „Ich selbst werde nicht nachlassen, schönes Holz und Zucker zu schicken“. Schon 1934 hatte Anton de Kom in seinem Buch „Wij Slaven van Suriname“ („Wir Sklaven aus Surinam“) gefordert, auch „das Leid unserer Mütter zu erkennen, die das Holz für die Verkleidung dieses Stadtpalastes auf ihren Köpfen getragen haben.“

Bis 2022 wird nun das Leben von Johan Maurits und sein Wirken in Brasilien mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern und Künstlern untersucht. Stammte das Geld für den Bau des Stadtpalastes wirklich aus dem Zucker- und Sklavenhandel? War der Generalgouverneur von Niederländisch-Brasilien persönlich in den Menschenhandel verwickelt? Zumindest auf der Grafik einer Sklavin ist deutlich das Monogramm von Johan Maurits als Brandzeichen über ihrer Brust zu sehen.

Einen ersten Eindruck von der Arbeit der Wissenschaftler lieferte die kleine, gerade zu Ende gegangene Ausstellung „Johan Maurits – Bild in Bewegung“. 1704 ging leider bei einem Brand ein großer Teil des Interieurs mit Verweisen nach Brasilien verloren, nur das Wappen ist im Giebel erhalten geblieben. Das macht die Forschungsarbeit nicht einfacher. Ein Teil der Wissenschaftler kommt aus Brasilien, eine Tänzerin aus Curaçao, wohin sich nach dem Verlust von Niederländisch-Brasilien 1661 der Sklavenhandel und die Zuckerproduktion verlagerte. „Meine Vorfahren kamen zum Teil aus West-Afrika, von der Goldküste, wo Johan Maurits die Bevölkerung versklaven und mit seiner Flotte nach Südamerika transportieren ließ“, schreibt Junadry Leocaria. Sie durfte im Goldenen Saal des heutigen Museums eine Soloperformance zu Ehren ihrer Vorfahren aufführen. „Ich fühlte mich dadurch direkt verbunden mit dem Zuckerpalast. Mein Solo im Goldenen Saal aufzuführen, empfand ich als Heilung.“ In der Ausstellung erinnerte ein nachgebautes Mauritshuis aus Tausenden von Zuckerwürfeln an den Spitznamen aus dem 17. Jahrhundert.

Auch die traumhaft schönen Gemälde von Frans Post, die man bisher als brasilianische Landschaften geschätzt hatte, wird man nun mit anderen Augen sehen müssen. Unter welchen Bedingungen kamen sie zustande, welche Gesellschaft bilden sie ab, was blenden sie aus? So ist es keineswegs selbstverständlich, dass schwarze Männer auf diesen Bildern zu sehen sind. Sie können nur als Sklaven nach Brasilien gekommen sein. Bisher spielte dies aber auch bei der Präsentation der Gemälde im Museum keine Rolle.

Ebenso sollen die Gemälde des 17. Jahrhunderts neu untersucht werden, die Objekte aus Übersee zeigen. Auch das posthume Porträt von Maria I. Stuart, das Adriaen Hanneman 1664 gemalt hat, verdient eine neue Betrachtung, denn der scheinbar exotisch-dekorative Federmantel, den sie trägt, ist ein heiliges Objekt der Tupinambá, das auf dem Gemälde zum exotischen Kostüm einer englischen Prinzessin reduziert wird. Ähnlich wie bei den Diskussionen ums Humboldt Forum geht es hier nun um eine präzise Identifikation der kultischen Bedeutung mit Hilfe von Wissenschaftlern aus Brasilien. Auch der schwarze Diener auf dem Bild verdient mehr Beachtung. Woher stammt er? Wie kam er in die Niederlande?

Ein Forschungsrat von Experten für Sklavenhandel und Kolonialgeschichte wird jetzt die Aufgaben formulieren, die die Forscher bis 2022 durch Archivarbeit klären müssen, um Licht ins Dunkel dieses Teils der niederländischen Kolonialgeschichte zu bringen. Die Ergebnisse werden publiziert und bei einem Symposium im Mauritshuis präsentiert, das die Ergebnisse dann einem breiten Publikum vorstellen wird. Wichtig dabei: eine außereuropäische Perspektive einzunehmen und liebgewordene Positionen kritisch zu hinterfragen. Rolf Brockschmidt

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