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Noch immer ein Star. Gianna Nannini bei einem Konzert im Jahr 2021.

© imago images/Independent Photo A

Maschi, Macht und Masturbationshymnen: Gianna Nannini bewirbt sich als erste Staatspräsidentin Italiens

Künstlerinnen fordern, dass endlich eine von Italiens profilierten Politikerinnen ins höchste Staatsamt kommt. Rockstar Nannini prescht schon mal vor.

„Ich ergreife die Gelegenheit für eine weibliche Stimme im Präsidentenamt und kandidiere offiziell für das Amt der Staatspräsidentin der Republik Italien.“ Gianna Nannini, Italiens bekannteste Rocksängerin, hat das vor wenigen Tagen gesagt.

Das Video auf ihrem Instagram-Kanal könnte nicht weiter entfernt sein von der Bedeutungsschwere des einen Satzes: Fünfzehn Sekunden, die Nannini im Auto zeigen, die Bildqualität eines Blitzautomatenaufnahme, der Ton schwach. Ob das ihr Ernst ist?

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In Italiens Medien wird die Erklärung der 67-jährigen in Zusammenhang gebracht mit einem Appell, den wenige Tage zuvor die Schriftstellerin Dacia Maraini lancierte und den 15 Frauen aus Italiens Kulturszene unterschrieben: „So viel ist von Geschlechterdemokratie die Rede. Aber in dieser Hinsicht ist Italien eine sehr unvollständige Demokratie“, heißt es im Offenen Brief an die 1008 Männer und Frauen, die in wenigen Wochen ein neues Staatsoberhaupt wählen sollen.

„Wir glauben, dass es Zeit ist, mit der Gleichheit der Geschlechter Ernst zu machen, die die fortschrittlichsten und demokratischsten Kräfte unseres Landes teilen und unterstützen. Sagen wir es deutlich: Es ist Zeit, eine Frau zu wählen.“ Den Appell haben neben Maraini die Schriftstellerkolleginnen Michela Murgia, Melania Mazzucco und Edith Bruck unterschrieben, die Regisseurin Liliana Cavani, die Satirikerinnen Luciana Littizzetto und Sabina Guzzanti, die Fernsehmoderatorin Serena Dandini und die Sängerin Fiorella Mannoia.

Italiens Präsidenten müssen Machtmechanik können

An Nannini als erste Staatspräsidentin dürften die Unterzeichnerinnen wohl nicht gedacht haben denn sie schreiben auch: „Viele Frauen haben sich in vielen öffentlichen Ämtern Wertschätzung und Vertrauen, Bewunderung erworben“. Sie hätten auch im höchsten Staatsamt das, was dafür nötig sei an „Charisma, Kompetenz und Autorität“.

Am Charisma von Gianna Nannini besteht wohl kein Zweifel. Obwohl ihre größten Erfolge aus den 1980ern datieren, ist die Musikerin ein Star geblieben und engagiert sich weiter in Geschlechterfragen. Schon ihre künstlerischen Erfolge - die Masturbationshymne America, „I maschi“ und „Latin Lover“ mit ihrer Ironie gegen Männer - waren politisch.

Ihren Wohnsitz hat die Frau, die jetzt ihre Kandidatur fürs höchste Staatsamt Italiens erklärte, seit einigen Jahren in London, ihrer Familie wegen: Wenn ihr etwas zustieße, hätte ihre Ehefrau in Italien keine Chance aufs Sorgerecht für ihre jetzt 11-jährige Tochter Penelope, erklärte Nannini. Das stimmt zwar nicht mehr ganz, aber Adoptionen in Regenbogenfamilien sind in Italien weiter schwieriger und und teurer als anderswo.

Die Wahl einer Frau wie Nannini wäre klar ein Zeichen. Ebenso klar fehlt ihr allerdings alles, was es auf dem „Colle“ braucht, dem Quirinalshügel in Rom, wo der Präsidentenpalast steht. Dort sitzen seit je politische Köpfe, die erfahren sind in Italiens komplizierter Machtmechanik. Die regelmäßigen Regierungswechsel sind zwar, anders als im Ausland wahrgenommen, weniger Krisen denn ein neues Mischen der Machtverhältnisse innerhalb der jeweiligen Koalition.

Bisher nur Männernamen im Spiel

Dennoch spielt die Systemkenntnis der Staatspräsidenten - die, wie der scheidende Amtsinhaber Mattarella, nicht immer aus der ersten Reihe der Politik kommen müssen – dabei eine entscheidende Rolle. Mattarellas Vorgänger Giorgio Napolitano, ein gewiefter Machtpolitiker, streifte sogar die Grenzen der Verfassung. Mattarella selbst musste in seiner siebenjährigen Amtszeit zweimal neue Regierungen in der laufenden Legislaturperiode bilden helfen.

Die weiblichen Namen, die im Aufruf der Frauen wohl aus Vorsicht vermieden wurden, gibt es in Italiens Politik in Hülle und Fülle und in allen Lagern. Ex-Premier Giuseppe Conte von der Fünf-Sterne-Bewegung nannte, als er sich kürzlich ebenfalls für eine Frau im Quirinal aussprach, unter anderen sogar eine alte Widersacherin seiner Partei, Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati.

Für die Wahl am 24. Januar dürfte allerdings keine von ihnen eine Rolle spielen; die Fragen lauten: Wechselt Premier Draghi ins Quirinal? Bringt womöglich Berlusconi die Rechte hinter sich? Alle Namen: alles maschi. Auch wenn Italiens komplizierte Präsidentenwahlen immer für Überraschungen gut sind: Für die größtmögliche Überraschung spricht bisher nichts.

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