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Martin Grubinger

© Simon Pauly

Martin Grubinger in der Philharmonie: Rhythmus ist Leben

Absolute Körperlichkeit und Präsenz: Die Philharmoniker mit dem österreichischen Ausnahme-Schlagzeuger Martin Grubinger.

Neulich konnte man wieder einem Fernsehkoch dabei zusehen, wie er die penibel vorbereiteten Teller und Schüsseln schusselig abarbeitete, in Gedanken längst beim nächsten Kochbuch oder den drückenden Golfschuhen. Martin Grubinger inmitten seiner Schlagzeugstation ist das Gegenteil: absolute Körperlichkeit und Präsenz, ein gewaltiger Magnet für Augen und Ohren. Sein Auftritt in der Philharmonie gleicht einem schwarzen Loch, das alles andere absorbiert, lustvoll stürzen die Philharmoniker unter Zubin Mehta und der ausverkaufte Saal hinein, dergestalt, dass am Ende gar keine mehr Energie mehr bleibt für die dritte Programmnummer.

Aber von Anfang an: Zubin Mehta, der in wenigen Wochen seinen 83. Geburtstag feiert und dieser Tage zum philharmonischen Ehrenmitglied ernannt wurde, nimmt den rauschenden Begrüßungsbeifall würdevoll entgegen und dirigiert dann in aller Ruhe und Präzision Edgard Varèses „Intégrales“ für elf Bläser und Schlagzeug, eine Musik, die ob ihrer kristallenen Tongebung und ihres kühlen Pulses noch immer modern anmutet. Noch der letzte heftige Schlag klingt erlesen, wie ein Hammer, in dessen Innerem zerbrechende Gläser verborgen sind, platzende Tüten und ein Pistolenschuss. Schon jetzt Jubel.

Und Mehta, in der einen Hand den Geh-, in der anderen seinen Dirigierstock, kehrt mit Grubinger zurück, dessen hochgeschobene Ärmel ahnen lassen, wie stark das Folgende wird. Peter Eötvös’ „Speaking Drums. Vier Gedichte für Schlagzeug solo und Orchester“ fordert ihn auf eine Weise, die total zu nennen untertrieben wäre. Die Verse von Sándor Weöres und Jayadeva flüstert, raunt, falsettiert und schreit er mit solcher Unbedingtheit ins Rund, dass man sofort in die Knie geht vor lauter Bewunderung, ganz auf dem Boden aber liegt man angesichts seiner schlagzeugerischen Fähigkeiten: Klänge, die hören lassen, wie tief Leben und Rhythmus zusammenhängen, wie vielfältig Trommel, Marimba, Triangel oder Konservendosen sprechen können. Arme mit unendlicher Energie, Finger wie Insektenschwärme, ein Körpereinsatz, der den ganzen Saal vitalisiert – und dann noch Mehtas Fähigkeit, das nun sehr begradigt klingende Orchester fein ein- und auszublenden! Wie viele rhythmische Ebenen passen in einen einzigen Menschen, fragt man sich, als Grubinger in seiner Zugabe Hand und Hand und Bein verschieden laufen lässt, wie viel Freude am Spiel, wenn er in Windeseile weitere Kunststücke mit seinen Schlegeln vorführt, um die Hüfte herum, von der Schulter aus (da muss er selbst ein bisschen lachen). Nach alldem jedenfalls hat Rimsky-Korsakows „Scheherazade“ das Nachsehen, zieht nur elegant vorüber, ein wenig sinnlos in den Raum hineingespielt.

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