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Panik in Prenzlauer Berg. Marius von Mayenburgs Horrorfamilie namens Peng.

© Arno Declair

Marius von Mayenburgs „Peng“ in der Schaubühne: Ralfis Resterampe

Prenzlauer-Berg-Eltern-Bashing, Flüchtlingsthematik und Medienschelte: Bei der Uraufführung von Marius von Mayenburgs „Peng“ an der Schaubühne wird alles mit allem verrührt.

Es ist nicht übertrieben, Ralf Peng einen Ausnahmecharakter zu nennen. Schließlich entwickelt sich der Kleine bereits pränatal zum Schwerverbrecher und erdrosselt noch im Mutterleib seine Zwillingsschwester. Die diensthabende Gynäkologin (Eva Meckbach) ist angemessen schockiert. Ralfs Eltern hingegen überwinden ihren kurzen Irritationsmoment schnell. Solange diese kleine Verhaltensauffälligkeit nicht Teil eines Krankheitsbildes ist, das es ihrem reizenden Sprössling verunmöglichen würde, später „aufs Gymnasium zu gehen und Mandarin, Schach und Violine“ zu lernen, ist hier doch alles bestens.

Marius von Mayenburgs neue Komödie „Peng“, vom Autor selbst an der Schaubühne uraufgeführt, beginnt als plakatives Prenzlauer-Berg-Eltern-Bashing. Mutter Vicky (Marie Burchard) ergeht sich zwar in großäugigen Pazifismus-Referaten, wirft aber dem nächstbesten kleinen Leon, den ihr Ralfi mal wieder beinahe im Sandkasten erstickt hätte, evolutionäre Schwäche und mangelnde Selbstverteidigungskräfte vor.

Und Ralfs Vater Dominik (Robert Beyer) hat noch gar nicht ganz zu Ende geschwärmt vom „höheren Niveau“, das er und seine Gattin durch die Elternschaft auch sexuell erreicht hätten, als er sich schon mit grenzdebiler Alliterationsprosa der Babysitterin nähert: „Ihre wundervollen, wachsweichen, weißen Waden sind wie Waffen, sie wirken wunderbar auf meine wunden Weichteile.“ Nun ja. Der Hang zur Alliteration ereilt Dominik übrigens nicht nur im sexuellen Erregungsstadium, sondern auch beim Analyseversuch politischer Vorgänge: „Der drängt darauf, durch Deregulierung und dubiose Deals die Demokratie dauerhaft zu destabilisieren.“ Die Rede ist von keinem anderen als Sohn Ralfi. Denn der „frühreife“ Fünfjährige hat inzwischen nicht nur seinen Geigenlehrer zum einäugigen Pflegefall geschlagen. Sondern er befingert auch regelmäßig die Babysitterin, und zwar mit Ansage: „Ich grapsche jeder Frau, die mir gefällt, in die Bluse oder zwischen die Beine.“

Sebastian Schwarz spielt sich einen Wolf

Die Analogie zum „Pussy-Grabbing“ des US-amerikanischen Präsidenten ist selbstredend gewollt. Mit steigendem Ralf-Lebensalter mutiert Mayenburgs Helikopter-Eltern-Farce tatsächlich zum Parodieversuch auf Donald Trump und die weltpolitische Lage überhaupt, wobei die Schwierigkeit, den realen Trump satirisch zu toppen, einmal mehr aufs Deutlichste zutage tritt.

Und so spielt sich Sebastian Schwarz in der Ralf-Donald-Rolle mit seinen fleischfarbenen Kinderwollstrumpfhosen zwar geradezu buchstäblich einen Wolf und verdient dafür wirklich allerhöchste Anerkennung. Aber inhaltlich betrachtet rennt er ein offenes Scheunentor nach dem nächsten ein.

Egal, ob er nun einen sichtlichen Boxkampf-Verlierer alternativfaktisch zum Sieger erklärt oder sich metaphorisch an „Richard III“ heranbuckelt. Wegen dieser von Mayenburg stark forcierten Analogie spielt der Abend an der Schaubühne auch in jenem Globe-Nachbau, in dem normalerweise Lars Eidinger als Shakespeare-Fiesling intrigiert.

„Germany’s next Topmodel“ für Fortysomethings

Bühnen- und Kostümbildnerin Nina Wetzel hat diesen Raum mit Prenzlauer-Berg-Biogrün aufgebrezelt, mit einer Art Halfpipe zum Rutschen ausgestattet und ansonsten viel Raum für Sébastien Dupoueys Videos gelassen. Die versetzen die Schauspieler mal in eine Werbefrühstücksmargarinen-Idylle, mal in ein Reality-TV-Format irgendwo zwischen Miss-Universum- und Mister-World-Wahl. Jedenfalls tritt Vicky Peng in einer Art Polit-Live-Schalte, die aber eher nach „Germany’s next Topmodel“ für masochistisch veranlagte Fortysomethings aussieht, irgendwie Hillary-mäßig gegen ihren nach der Weltherrschaft strebenden Fünfjährigen an.

Denn ja: Die Familie hört auch schon auf den schönen Namen - Peng! Alles wird hier absichtsvoll mit allem verrührt. Da fehlt es an nichts. Die Flüchtlingsthematik mit sabbernden Backstage-Besuchen in Frauenumkleiden, Feminismusdiskursparodien mit Waffenhandel – und das Ganze freilich dann auch noch mit redlicher Medienschelte garniert. Familie Peng lässt sich nämlich rund um die Uhr dabei filmen, wie Mama Vicky notleidende Frauen gönnerhaft in ihrem Keller unterbringt, bevor Sohn Ralf deren Ehehöllen mit der Knarre im Anschlag zu „sicheren und unbedenklichen“ Herkunftsgebieten erklärt.

Das Reality-TV-Redakteurswürstchen Tom (Lukas Turtur) hält aber natürlich genauso drauf, wenn Familie Pengs Nachbar Reinhold (Damir Avdic) eine kleine überraschungsarme Enthüllung tätigt: Wer verkauft wohl die Küchengeräte, mit denen Reinhold seine Frau Uschi misshandelt, die zu den Dauergästen in Vicky Pengs Wohltätigkeitskeller gehört? Dreimal dürfen Sie raten!

Vorstellungen wieder am heutigen Dienstag sowie am 7., 10., 11. und 12. Juni.

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