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Marius Müller-Westernhagen, geboren in Düsseldorf, lebt in Berlin.

© dpa/Britta Pedersen

Marius Müller-Westernhagen wird 70: Der Pfefferminz-Prinz

Kratziger Rocker mit Herz für Liebesballaden: zum 70. Geburtstag des Musikers und Schauspielers Marius Müller-Westernhagen.

Die Alten mussten es wieder richten. Und auch sie waren reichlich spät dran mit ihrem Protest gegen die Echo-Verleihung an das Hassrapper-Duo Kollegah und Farid Bang im Frühjahr. Aber immerhin: Der 55-jährige Campino fand bei der Gala deutliche Worte, und Klaus Voormann gab kurz vor seinem 80. Geburtstag den gerade erst an ihn verliehen Lebenswerk-Echo wieder zurück.

Ihm schloss sich der 69-jährige Marius Müller-Westernhagen an, der seine sieben Echos – darunter ebenfalls einer für sein Lebenswerk – nicht mehr haben wollte. „Eine Industrie, die ohne moralische und ethische Bedenken Menschen mit rassistischen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Positionen nicht nur toleriert, sondern unter Vertrag nimmt und auch noch auszeichnet, ist skrupellos und korrupt“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Eine „neue Stufe der Verrohung“ sei erreicht.

Dabei ist Westernhagen, der am heutigen Donnerstag 70 Jahre alt wird, einst selbst durch einen nicht eben feinfühligen Text aufgefallen. In seinem Song „Dicke“ sang er Zeilen wie „Dicke haben schrecklich dicke Beine/ Dicke ham ’n Doppelkinn/ Dicke schwitzen wie die Schweine/ Stopfen, fressen in sich rin.“ Die Rockballade endet mit den Worten „na, du fette Sau“. Müller-Westernhagen hat später immer betont, das sei alles ironisch gemeint, was sich allerdings auch gut überhören lässt. Der Text ist einfach sehr gemein und wurde auch so verstanden. Heute könnte man das wahrscheinlich nicht mehr so bringen, doch 1978 war „Dicke“ Teil von Westernhagens Durchbruchsalbum „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“.

Plattenfirma mit Geduld: Erfolg erst nach der vierten Soloplatte

In Düsseldorf als Sohn einer Regierungsbeamtin und eines Schauspielers geboren, steht er schon als 14-Jähriger erstmals vor einer Fernsehkamera. In den 70ern dreht er unter anderem mit Margarethe von Trotta und Tankred Dorst. Früh spielt er auch Gitarre in einer Beatband, gründet 1967 die Gruppe Harakiri. Eine Zeit, über die er in dem Song „Mit 18“ singt: „Wir verdienten 400 Mark pro Auftritt für ’ne Rolling-Stones-Kopie/ Die Gitarren verstimmt, doch es ging tierisch los/ Und wir hielten uns für Genies“.

Das Bluesrock-Stück eröffnete das „Pfefferminz“-Album, das bereits seine vierte Soloplatte war. So viel Geduld hat heute keine Plattenfirma mehr mit ihrem Nachwuchs. Bei Westernhagen zahlt sie sich doppelt und dreifach aus, legt er anschließend doch – abgesehen von kleineren Rückschlägen – einen rund zwei Jahrzehnte andauernden Karriere-Höhenflug hin, inklusive des Filmhits „Theo gegen den Rest der Welt“, in dem er einen verschusselten Ruhrpott-Trucker auf Irrfahrt durch Europa spielt.

Seine erfolgreichste Phase hat er nach der Veröffentlichung von „Westernhagen“, das 1987 erscheint und dem zwei Jahre später sein erstes Nummer-eins-Album „Halleluja“ folgt. Die Hallen und Stadien, in denen er auftritt, werden immer größer. Er ist ein Superstar. Sein Markenzeichen sind Rocksongs, in denen er seine Stimme gern ins Kratzig-Verwegene hochzieht („Sexy“), sowie Balladen – allen voran der Wiedervereinigungsschmachtfetzen „Freiheit“ von 1990. Seine größte Stärke sind Liebeslieder wie „Ganz und gar“ oder „Weil ich dich liebe“, die aufgrund ihrer aufrichtigen Emotionalität immer gerade so nicht in den Kitsch kippen.

Mit dem in den 80ern und 90ern ebenfalls durchstartenden Herbert Grönemeyer, der acht Jahre jünger ist, kämpft Westernhagen damals um die Vormachtstellung im deutschen Pop. Die Fanlager sind gespalten. Später gibt es kurze mediale Kabbeleien zwischen den beiden. Mittlerweile hat der Bochumer das Rennen für sich entschieden und ist mit 17 Millionen verkauften Alben der erfolgreichste deutsche Künstler. Westernhagen kommt auf etwa elf Millionen. Wobei Grönemeyer, der kürzlich „Tumult“ herausbrachte, ebenfalls schon lange kein richtig großer Hit gelungen ist. Von Marius Müller-Westernhagen, der seit einigen Jahren in Berlin lebt, erschien zuletzt vor vier Jahren mit „Alphatier“ ein solides Rockalbum.

Herbert Grönemeyer bringt sich derzeit, etwa bei der „Unteilbar“-Demonstration, verstärkt politisch ein. Um Westernhagen ist es auf diesem Gebiet still geworden, seit er die rot-grüne Regierung Gerhard Schröders öffentlichkeitswirksam unterstützt hat. Seine Freundschaft zum Ex-Kanzler ist inzwischen eingeschlafen. Dass sich Westernhagen nicht für die müde SPD einsetzt, ist nachvollziehbar. Die Partei rockt einfach nicht mehr. Er schon.

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