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Die Doku "Rebel Dykes" gibt einen Einblick in die Londoner Lesbenszene der Achtziger.

© Festival

Manuela Kay über das Pornfilmfestival: „Je besser die Pornografie, desto besser die Sexualität der Bevölkerung“

Pornfilmfestival-Organisatorin Manuela Kay über sexuelle Emanzipation, feministische Kritik und das diesjährige Programm.

Frau Kay, Sie sind bekannt als Journalistin, Mit-Initiatorin des Dyke*Marchs sowie als Mit-Herausgeberin der Magazine „Siegessäule“ und des „L-Mag“. Aber Sie gehören auch zu den Organisator*innen des Pornfilmfestivals. Wie kam das?
Das Festival wurde 2006 als weltweit erstes gestartet von Jürgen Brüning, der selbst Filmproduzent ist und schwule Pornos dreht. Er wollte damals zeigen, dass Pornografie viel bunter und vielfältiger ist als das, was man aus dem Internet kennt. Hinzu kamen feministische Perspektiven, ein politisches Bewusstsein und die Überzeugung, dass Pornos auch etwas sehr edukatives haben, also quasi ein Bildungsauftrag.

Das ist auch meine Motivation: Zu zeigen, dass es ganz viele Arten gibt, Sexualität zu leben und sich niemand für irgendwas schämen muss. Für mich war es außerdem wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem Frauen ihre Filme zeigen können. Und die Möglichkeit, mit Männern und LGBT darüber ins Gespräch zu kommen: Wir können alle gemeinsam über Sexualität reden, auch wenn wir ganz unterschiedliche Sexualitäten leben.

Ist das auch der Grund, warum das Festival sich nicht explizit als queer oder feministisch bezeichnet?
Sich so zu nennen, finde ich anmaßend. Ich bezeichne mich als Feministin und alle, die beim Festival mitmachen auch. Aber wir können nicht sagen, das ganze Festival, also jeder Film, sei feministisch.

Unser kleinster gemeinsamer Nenner ist Sexualität. Wir versuchen, mit der Auswahl der Filme ein Angebot zu machen, damit die Leute ins Gespräch kommen. Ich würde aber schon sagen, dass die Gesamtatmosphäre des Festivals bestimmte politische Themen und einen feministischen Umgang mit Sexualität befördert.

Manuela Kay ist Verlegerin und Journalistin.
Manuela Kay ist Verlegerin und Journalistin.

© Tanja Schnitzler

Einige Feministinnen sehen das anders und sprechen sich explizit gegen Pornos aus. Was entgegnen Sie denen?
Es ist okay, wenn man persönlich keine Pornografie mag. Aber aus einer feministischen Sicht finde ich, dass Pornos einen befreienden Effekt haben. Gerade für Frauen bieten sie eine Möglichkeit zur sexuellen Emanzipation: nämlich die Scham zu verlieren und sich mit der eigenen Sexualität auseinanderzusetzen. Ich bin der Meinung, je besser Pornografie ist, desto besser ist auch die Sexualität der Bevölkerung.

Natürlich gibt es gewaltverherrlichende Pornos, aber es gibt auch gewaltverherrlichende Spielfilme und trotzdem ist man nicht allgemein gegen Spielfilme. Wie Annie Sprinkle schon sagte: Die Antwort ist nicht keine Pornografie, sondern gute Pornografie. Und die zeigen wir.

Was würden Sie Leuten sagen, die noch nie dort waren?
Fürchtet euch nicht! (lacht) Es ist eine tolle Atmosphäre und man kann auch kommen, wenn man keine Pornos mag. Wir haben viele nicht-explizite Filme, wo man sich theoretisch mit Sexualität auseinandersetzt: Dokus und Komödien. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei.

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Welche queeren Filme sind diesmal im Programm?
Mein persönliches Highlight ist der Film „Rebel Dykes“ über die Londoner Lesbenszene der 80er Jahre, also genau meine Sturm- und Drangzeit. Auf diesen Film habe ich eigentlich mein ganzes Leben lang gewartet (lacht). Er dokumentiert eine Community, die sehr sex-positiv war, wilde Sexpartys feierte und einen eigenen Club hatte. Das ist etwas, das immer zu kurz kommt: Dass lesbische Bewegung auch mit Sexualität zu tun hat.

Und dann freue ich mich sehr auf die Retrospektive zum Thema HIV, die wir schon für letztes Jahr geplant hatten. Der Umgang mit ansteckenden Viren ist momentan ja ein großes Thema und wir sehen viele Parallelen im Umgang mit Corona und HIV.

[Pornfilmfestival, 26.-31.10. im Moviemento und weiteren Berliner Kinos]

Sie meinen die Frage nach dem Umgang mit Verantwortung?
Ja, aber auch Schuldzuweisungen, Moralvorstellungen, Denunziantentum und die Frage danach, was „safe“ ist und was nicht. Das ist auf jeden Fall ein queeres Highlight in diesem Jahr und erinnert auch daran, wie HIV wirklich alles verändert hat, vor allem in der schwulen Welt.

Wie beeinflusst die Corona-Lage das Festival in diesem Jahr?
Wir wissen erst seit wenigen Tagen, dass wir die Kinosäle in voller Auslastung nutzen können. Es wird keine große Festivalparty geben und auch nur einen Workshop: über die Archivierung von Pornografie im Schwulen Museum. Aber für uns ist das Wesentliche ohnehin, dass die Lounge des Moviemento wieder offen ist. Dort am Tresen sind nicht nur viele Filme entstanden, sondern eigentlich eine ganze Szene, eine richtige Pornfilmfestival-Bewegung.

Vanessa Fischer

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