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Intime Zweisamkeit. Katrin Schlösser und Lukas Lessing beim Tanz.

© Realfilm

Mann und Frau, radikal subjektiv gefilmt: Zwischen Berlin und Burgenland

Offensiver Umgang mit der Brüchigkeit des Lebens: Katrin Schlössers Film „Szenen meiner Ehe“.

„Dass du keine Inszenierung bist, ist meine einzige Chance.“, sagt die leicht raue männliche Stimme mit wienerischem Akzent. „Ich muss mich für dich nicht inszenieren. Manchmal inszeniere ich mich trotzdem. Manchmal aber auch nicht“.

Im Bild das Close-Up eines zwischen Bettdecke und Kissen liegenden Kopfes mit zerzaustem grauem Haar, der in der nächsten Einstellung um neunzig Grad in die aufrechte Position gedreht wird: Ein kleiner Hinweis der Regie darauf, dass die Möglichkeiten zum inszenatorischen Eingriff im Film auf beiden Seiten liegen.

Eine Große der deutschen Filmszene

Diese Bettszene ist eine ähnlich wiederkehrende Einstellung in einem Film, der sich der Beziehung zwischen dem Mann und seiner Ehefrau widmet. Diese ist zugleich auch Regisseurin und Kamerafrau des Films. Und sie ist eine Größe der deutschen Filmszene: Katrin Schlösser hat sich einen Namen gemacht als Produzentin, mit ihrer Firma öFilm (und dem langjährigen Kompagnon Frank Löprich) hat sie viele Filme des Dokumentarfilmers Thomas Heise in die Welt gebracht , aber auch Spielfilme wie Ulrich Köhlers „Schlafkrankheit“ oder „Karger“ von Elke Hauck begleitet.

Nun führt Schlösser Regie bei einem Dokumentarfilm in eigener Sache, einem Film, der unübersehbar Bezug auf Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“ nimmt. Nur haben sich seit 1973 die Beziehungsmuster der westlichen Welt geändert.

Die Ehe von Katrin Schlösser und dem Schriftsteller Lukas Lessing entstand jenseits jeder Konventionalität aus dem Bauchgefühl, wie wir gleich in der Eingangsszene aus dem erinnernden Gespräch der Autorin mit ihrem Ehemann erfahren.

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Beide hatten früher schon eine Affäre miteinander, beendeten diese aber aus Verantwortungsgefühl gegenüber bestehenden anderen familiären Bindungen. Als sie sich durch einen Zufall wiedertrafen, machte er ihr einen Heiratsantrag, den sie sofort annahm. „Ich kann es heute noch nicht verstehen, dass ich Ja gesagt habe. Aber ich habe es nicht bereut“, sagt sie lachend.

Schlössers Film oszilliert zwischen solchen Erinnerungen und gefilmter Gegenwart der Ehe, deren (mit Bergmans Erzählraum durchaus kompatible) Auf und Abs sie punktuell mit der Kamera ihres iPhones begleitet. Das Handlungsspektrum reicht vom Hochzeitswalzer über das Aushandeln von Alltag bis zur Pflege der Schwiegermutter.

Liebeserklärung und Beschimpfung

Und der Ton geht von der Liebeserklärung über ein von ihm witzelnd herausgeschrieenes „protestantische Kackbratze“ bis zu einer heiklen, in langes Schweigen mündenden Aussprache. Hier ist ein Küchentisch das visuelle und emotionale Trennungselement der Partner, die wir im Profil rechts und links sehen. Noch öfter jedoch gibt es offene Selbstauskünfte zur jeweiligen Gefühls- und Bedarfslage.

Beide sind starke Darsteller, auch wenn seine Auftritte oft nicht gerade sympathisch sind. Doch diese Star-Allüren (und auch die Gefahr des Voyeurismus ) zähmt eine starke Regie und eine Montage, die seine Monologe auch abbricht und szenisch fragmentiert.

Pendeln zwischen Berlin und Burgenland

Überhaupt setzen Schlösser und Ko-Editorin Barbara Gies statt auf die Illusion narrativer Vollständigkeit auf den offensiven Umgang mit der Brüchigkeit des Lebens. Ein Fokus dabei ist die komplizierte Wohnsituation des Paares zwischen Schlössers Wohnung in Berlin und einem Landhaus im Burgenland, wo der größtes Teil des Films spielt.

Die prächtige Berglandschaft dort und der im Wechsel der Jahreszeiten prangende Garten bieten visuelle Fluchten aus dem fast klaustrophobischen Binnenraum des Paares, dessen Außenbeziehungen (bis auf die Eltern) gezielt ausgeblendet werden.

[verfügbar über Kino-on-Demand]

So erfahren wir auch von Schlössers Tätigkeit als Professorin an der Kölner Kunsthochschule für Medien nur durch ihre Überlegungen, diese eventuell aufzugeben. Bewegung kommt ironischerweise erst in die Konstellation, als der Einzug der beiden gebrechlichen Schwiegermütter die Zweisamkeit sprengt. „Szenen meiner Ehe“ richtet einen radikal subjektiven in seiner Intimität manchmal kaum auszuhaltenden Blick auf diese familiären Verknotungen. Echte Hoffnung auf Aufbruch gibt es (wie bei Bergman) nicht.

In der Schlusszene sind Katrin und Lukas zwar wirklich oben in den aus der Ferne so schönen Bergen bei den Steinböcken angekommen. Doch diese sind längst durch schweres Gerät und Skilifte zerstört.

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