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Holt sich regelmäßig Gäste: das Mandelring Quartett

©  Uwe Arens

Mandelring Quartett: Der Augenblick zählt

In der Ruhe liegt die Kraft: Das Mandelring Quartett mit der Pianistin Lauma Skride im Kammermusiksaal.

Wie aus tiefstem Urgrund erhebt sich in Ernst von Dohnányis zweitem Klavierquintett in es-Moll das Hauptthema in der ersten Geige über dem düsteren, ahnungsvollen Grummeln der tiefen Streicher. Wenn eine Musik, wie diese, im Jahr 1914 entstanden ist, meint man automatisch die Weltlage mitzuhören, den Großen Krieg, der vor der Tür steht. Das Mandelring Quartett allerdings reißt keine Abgründe auf, spitzt das nicht katastrophisch zu. Es klingt ausgewogen, fast edel, als sei es auf einer höheren Ebene des Verständnisses gespielt, als würde der Komponist hier erinnernd zurückblicken. Da ist er wieder, der legendäre Gesamtklang des 1983 gegründeten Quartetts, der sich durch stupende Homogenität in Tempo, Dynamik und Klangfarbe auszeichnet – so dass sich der Hörer immer wieder vergewissern muss, tatsächlich vier Instrumente vor sich zu haben, und nicht etwa nur eines.

In diesem Fall sind es sogar fünf. Für ihre Reihe „Mandelring plus“ im Kammermusiksaal haben sich die Geschwister Sebastian, Nanette und Bernhard Schmidt sowie Bratschist Andreas Willwohl die Pianistin Lauma Skride dazugeholt. Die Lettin, die sonst vor allem als Partnerin ihrer Schwester Baiba auftritt, setzt markant perlende Akzente. Und doch schmiegt sie sich wunderbar dem Klangideal der Mandelrings an. Ein Ideal, das nicht ungestüm nach vorne drängt, sondern immer wieder verweilt, sich quasi ins Inwendige stülpt, den jeweiligen Moment mit äußerster Intensität auskostend.

Ein musikalischer Sonnenaufgang

Bei Joseph Haydns Quartett B-Dur, dem vierten aus aus dem reifen Zyklus op. 76, wird dann aber doch hörbar, dass wir es mit vier individuellen Musikern zu tun haben. Vor allem natürlich im einleitenden Allegro con spirito, wo Sebastian Schmidts Primgeige, ähnlich wie zu Beginn von Dohnányis Quintett, sich über die drei anderen Stimmen legt, mit einer kantablen aufsteigenden Melodie. Sie soll klanglich den Sonnenaufgang imitieren, der dem Werk seinen Beinamen gab. Die Mandelrings spielen es dann zügig, mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Träumerei, durch.

Nach der Pause ist es Bernhard Schmidts Cello, das in Antonín Dvoráks großem zweitem Streichquintett mit dem rührenden Hauptthema den Ton vorgibt. Es wird bald von Nanette Schmidts zweiter Geige übernommen. Im von der Form des ukrainischen Dumka-Tanzes geprägten zweiten Satz arbeiten die Fünf die Kontraste zwischen melancholischen und feurigen Phasen plastisch heraus, genauso wie das kernige Furiant-Thema des dritten Satzes, ein Menuett. Zum Finale gibt’s dann die Polka, kraftvoll und energetisch und doch ganz im Mandelring-Spirit interpretiert. Also voller subtiler Klangflächen, die die Musik nie an vordergründige Effekte verraten. In der Ruhe liegt die Kraft.

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