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Malerei von Marcus Jansen: Kriegsschauplätze in Öl

Ein Irak-Veteran nutzt die Malerei als Medium: Marcus Jansen kritisiert in der Zitadelle Spandau Globalisierung, Krieg und den Fortschrittsmythos der USA.

Die Welt ist zerborsten in diesem Bild. Im Vordergrund deuten vage Pinselstriche Schutt und Bauruinen an. In der Mitte wird der Himmel von einer sandfarbenen Leere verschluckt. Ein Kinderbagger versucht aufzuräumen. Ein Mann mit Helm kniet am Boden. Am Horizont kann man Hochhäuser mit unwirtlichen Fensterlöchern erkennen und Hauswände, die mit Farbe besprüht sind. Meist ist die Welt in Aufruhr in Marcus Jansens Bildern, irgendetwas ist immer kaputt. Manchmal malt er auch Kinder in seine unwirtlichen Gegenden hinein, als unschuldig Betroffene und Hoffnungsträger zugleich. „Resistance and War Games“, Widerstand und Kriegsspiele, heißt ein Gemälde, das der deutsch-amerikanische Künstler 2015 gemalt hat und das nun mit einer großen Anzahl weiterer Bilder in der Zitadelle Spandau ausgestellt ist. Das Jansens farbgewaltige, expressive Anti-Kriegskunst an den dicken Backsteinmauern einer ehemaligen Festungsanlage hängt, lädt sie zusätzlich auf.

Es ist eine üppige Schau geworden, die der neue Ausstellungsleiter der Zitadelle, Ralf F. Hartmann, dem in New York geborenen und in Deutschland aufgewachsenen Maler Marcus Jansen ausrichtet. Die Ausstellung ist auch programmatisch zu verstehen: In den frisch sanierten Ausstellungsgebäuden der Zitadelle soll künftig regelmäßig zeitgenössische Kunst zu sehen sein.

Drei Räume der im hinteren Teil der Anlage gelegenen „Bastion Kronprinz“ sind mit Jansens Ölmalerei gefüllt. „New Horizons. Mit den Waffen der Malerei“ heißt die Schau. Damit redet sie nicht lange um den heißen Brei herum. Marcus Jansen, der bald 50 wird, war Anfang der Neunzigerjahre als GI im Irakkrieg. Von dort kam er mit einem posttraumatischen Belastungssyndrom zurück. In seinen Bildern verarbeitet er die Erfahrungen des Krieges, das ist die große Erzählung, die in dieser Ausstellung mitschwingt. Es gibt sogar eine Glasvitrine mit Fotoaufnahmen und Urkunden, die von Jansens Einsatz bei der Operation „Desert Storm“ zeugen. Die staubigen Wüstenpisten, die aufgetürmten Sandsäcke und die braungrau getarnten Soldaten mit Helm, die auf den Fotos zu sehen sind, findet man durchaus auch in seinen Gemälden wieder.

Bezüge auf Basquiat, Rauschenberg und Rauch

Jansen, der Malerei unter anderem in Braunschweig bei Inge Mahn studierte, und sich eine Weile in der New Yorker Street Art-Szene zu Hause fühlte, kombiniert vielfältige Techniken in seinen postapokalyptischen Szenerien: er malt mit Ölfarbe, Malpinsel, Fingern und Schwamm, er sprayt, er nutzt Schablonen, klebt Fotos in seine Bilder und lässt die Farbe intuitiv fließen, so dass sich abstrakte Hintergründe als Ausgangspunkt seiner Erzählungen ergeben. Je dominanter und energischer die Abstraktion, desto faszinierender oft die Bilder. In „When the Cowboys Came“ von 2012 ergießt sich das Schwarz wie ein unkontrollierter Sprudel über die Leinwand und wird zur Basis einer Prärielandschaft, in der ein paar winzige Cowboys davonreiten. Jansen kombiniert amerikanische Mythen, Popkultur und aktuelle Politik, besonders die der USA. An kunsthistorischen Bezügen, auch vom Künstler selbst fleißig gestreut, mangelt es nicht. Von Jean Michael Basquiat als Inspiration ist die Rede, und vom Pop-Art-Wegbereiter Robert Rauschenberg, der durch die ausgestellten Briefe und Zitate als Mentor Jansens kenntlich wird. Rauschenberg wurde in den 1950er und 1960er Jahren mit seinen „Combine Paintings“ bekannt, in die er alle möglichen und unmöglichen Alltagsobjekte einfügte, von der Glühbirne bis zum Küchengerät. Auch bei Jansen gibt es ein Bild, in das der Künstler Holzbretter genagelt hat, ansonsten bleibt er, zumindest in dieser Ausstellung, eher flächig. Auch an Neo Rauch und die Vertreter der Neuen Leipziger Schule könnte man vor Jansens gegenständlichen Bildern denken, auch weil der sich, wie die Leipziger, persönlich mitteilen will. Er malt nicht, was er sieht, er malt, was er fühlt und denkt.

Jansen, der heute in Fort Meyers in den USA zu Hause ist, sieht seine Malerei als sozialkritischen Kommentar auf den Zustand der Welt. Globalisierung, Umweltkatastrophen, Terror und Krieg, der Fortschrittsmythos der USA, Kommerzialisierung und Vereinzelung, diese Themen klingen in seinen ikonografischen Bildern an. Es gibt mehrere Symbole, die Jansen immer wieder nutzt. Autoreifen, Fliegenpilze und Schweine sind Chiffren für Kontamination, kommerzielle Verwertung und Ausbeutung. Der Betrachter soll beim Anblick dieser Kunst nicht rätseln, hier bleibt Jansen eher der Street Art mit ihren plakativen Aussagen treu, als dass er sich an den verschlüsselten Bildwelten der Leipziger orientiert. Die Botschaften liegen in seinen Bildern so offen zutage, wie man es bei Malern der jüngeren Generation, zumal in Deutschland, derzeit selten sieht. Kein doppelter Boden, keine Ironie, eher Journalismus mit dem Pinsel. Man kommt natürlich auch rasch dahinter, dass der Ex-Soldat seinen Einsatz im Irak äußerst kritisch betrachtet. Nun führt er in seinen Bildern den Krieg mit sich selbst und seinen Gefühlen.

Zitadelle Spandau, Am Juliusturm 64, bis 15.4., Mo–So 10–17 Uhr

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