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Hühner von Josef Hegenbarth

© Slg. Hegenbarth

Maler Josef Hegenbarth: Auf leisen Flügeln

Eine private Berliner Sammlung widmet sich dem Werk des Malers Josef Hegenbarth und greift ein großes Thema seines Schaffens auf: Tiere.

Nicht weit vom Berliner Zoo versammelt sich in einem eher kleinen Gehege eine ziemliche Menagerie. Hier laufen Hunde übers Papier oder lassen sich gleich zum Geschäft nieder wie auf einer körnigen Schwarz-Weiß-Fotografie von Karin Székessy aus dem Jahr 1964. Ein winziger Elefanten stampft bei Ayse Erkmen durch die Savanne, sanfte Kühe mit überlangen, femininen Wimpern blicken einen aus den Aquarellen von Piotr Dluzniewski an. „Gestatten Sie bitte, daß ich liegen bleibe“, nennt der Künstler aus Köln seine feinen, in diesem Jahr entstandenen Blätter.

Auch ein übergroßes „Meerschweinchen“ in Öl hängt an der Wand. Cornelius Völker hat es 2003 gemalt und vor eine monochrom blaue Fläche gesetzt, die den Nager überaus artifiziell wirken lässt. Hängend hat auch der Hase in Mark Dions Siebdruck von 2015 sein Leben beendet, ein Hinweis des des US-amerikanischen Künstlers auf die opulenten Stillleben früherer Jahrhunderte. Aus einer übermalten Radierung von Michael Wutz schauen lauter Augen in die Ausstellungsräume. Man fühlt sich beobachtet und ist zugleich fasziniert von der Beharrlichkeit, mit der die von Wutz ausgewählten Tiere ihrerseits den Gast in den Blick nehmen

„Tiere schauen“ heißt denn auch zweideutig die Schau. Knapp hundert Arbeiten nehmen Wände und Rollschränke in Beschlag, die Zahl der teilnehmenden Künstler ist auf den ersten Blick unüberschaubar. Bloß einer taucht verlässlich immer wieder auf: Josef Hegenbarth, Maler und Illustrator, 1884 in Böhmen geboren, seit seiner Jugend in Dresden ansässig und 1962 dort verstorben.

Geier des Berliner Künstlers Guillaume Bruère
Geier des Berliner Künstlers Guillaume Bruère

© Slg. Hegenbarth

Ihm gilt die zentrale Aufmerksamkeit jener Sammlung, die hinter der sehenswerten Ausstellung steht und mit „Tiere schauen“ nun ihr zweites Projekt in Berlin verwirklicht. Das Debüt gaben Jutta und Christopher Breu mit einem Blick in ihre private Hegenbarth-Sammlung als Teil der Familienstiftung. Ein anderer Part, das Josef-Hegenbarth-Archiv im einstigen Wohnhaus des Künstlers an der Elbe, gehört als Kunstmuseum zum Kupferstichkabinett und damit zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

In der aktuellen Schau hat das Ehepaar nun ein erstes Thema aus dem großen Werk von Hegenbarth gewählt, das ihn mit anderen, vielfach zeitgenössischen Künstlern verbindet. Tiere als Modelle, Symbole oder gequälte Kreaturen wie in Hegenbarths Pinselzeichnung „Die Tiere des Zuchthauses“ (1959), in der ein Hund geschlachtet wird. Im Kontrast dazu hat Ewald Mataré seine ewig zeitlosen Bronzen von ruhenden Kühen und Kälbern an der Schwelle zur Abstraktion geschaffen. Nicht zu vergessen Renee Sintenis mit ihren zarten Rehen oder HAP Grieshabers Holzschnitt eines „Affenurgroßvaters“ (1962). Einem Zeitgenossen wie Guillaume Bruère gelingt es, ausgestopfte Federkleider aus dem Naturhistorischen Museum in Wien dank hypernervösem Duktus und farbsatten Kreiden zu neuem Leben zu erwecken. Schließlich Stephen Wilks, der als Performer im Eselskostüm durch Tierparks gezogen ist und von ihren Bewohnern mit größter Aufmerksamkeit beargwöhnt wird.

35 Positionen sind es insgesamt, mit ihnen zieht ein Jahrhundert Kunstgeschichte vorbei: Max Ernst, Victor Vasarely, Leiko Ikemura, Nanne Meyer, Roman Frechen. Vieles, darunter nicht bloß von Hegenbarth, stammt aus der Sammlung , anderes aus den Ateliers zeitgenössischer Künstler und ein geringer Teil aus Galerien. So wird es auch weitergehen in der Etage „Herr Hegenbarth“, mit drei bis vier Ausstellungen pro Jahr, zu denen einem vor den Arbeiten des Künstlers gleich noch mehr Themen einfallen - Menschen, Urbanes, Illustrationen. Es gibt ein museumspädagogisches Angebot und diverse Veranstaltungen. Hegenbarth sei „der Impulsgeber“ ihrer Idee gewesen, sagt Christopher Breu. Inzwischen ist das Projekt als „Ort der Muße“ mit einer kleinen Bibliothek kräftig gewachsen - so sehr, dass der Gestalter Breu an die Tür seines Büros ein Wort geklebt hat, das seine Rolle unmissverständlich auf den Punkt bringt: Cirkusdirektor.

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