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Queen Mum of Pop. Madonna auf einem Konzert im Dezember 2015 in Zürich.

© dpa

Madonna und ihre Ausfälle in Melbourne: Clownsnummer auf dem Hochseil

Madonna hat den Weg geteert, den viele nach ihr beschritten haben. Wenn sie, wie jetzt, ein bisschen ins Straucheln gerät, erscheint das gleich riesengroß.

Die Mutter, der Vater, der Sohn, das Sorgerecht, die Pubertät, der Streit – alles bekannte Zutaten. In diesem Fall ist Madonna der disziplinierteste aller Popstars der ersten Garde. Yoga statt Wodka, Botox statt Großmut, nichts überlässt Madonna, Mutter von vier prächtigen Kindern, dem Zufall, nicht eine Falte, einen Fehlschritt, einen falschen Ton akzeptiert sie. Guy Ritchie ist mit 47 Jahren rund zehn Jahre jünger als seine Exfrau. Sohn Rocco, den sie mit Ritchie hat, ist 15 Jahre alt und will momentan lieber bei Papa bleiben. Das Sorgerecht hat nach dem dazugehörigen Streit Ritchie bekommen. Die Pubertät – siehe zwei Sätze vorher. Rocco ist, wie Millionen andere Teens, genervt von seiner Mutter (die bestimmt in der Tat gehörig nervt). Der Streit: Der wird natürlich von den Medien ausgeschlachtet.

Und wird jetzt zur Begründung des angeblich merkwürdigen Verhaltens Madonnas bei einigen Auftritten in Melbourne und Auckland herangezogen. Was passiert und durch viele wackelige Handyfilmchen belegt ist: Madonna hat ihr Problem mit Ex und Filius zum Teil öffentlich gemacht, sie hat – vielleicht als Show, vielleicht aus Kummer, vielleicht weil sie als Künstlerin meint, es so verarbeiten zu müssen – mit tränenerstickter Stimme vom Sohn erzählt, ihm Songs gewidmet, auf den Ex geflucht. Und sie ist bei zwei Shows in zwei verschiedenen Clownskostümen auf einem kleinen Zirkusdreirad aufgetreten. Einmal, mit rosafarbener Langhaarperücke, grünem Hut und irrer Pierrotschminke, fällt sie gemütlich vom Rad. Beim anderen Mal, anderes Kostüm, hantiert sie mit einer Flasche auf der Bühne, in der sich angeblich Schnaps, laut einiger Quellen Tequila befindet. Bei diesem Auftritt bleibt sie später mit einem ihrer Netzstrümpfe in den Speichen hängen, kommentiert selbstironisch „jetzt hab ich mich in meinem eigenen Netz gefangen“, und legt sich auf den Boden, damit der Bandkollege sie befreien kann.

Showbiz und Realität - seit wann ist das das gleiche?

Dieses Foto von Madonna auf dem Boden, die Flasche, die Tränen, das Wissen um den Sorgerechtsstreit – all das hat aus der fleißigen New Yorkerin eine Boulevardmeldung erster Kajüte gemacht. Madonna selbst spuckt dagegen Galle: Alkohol auf der Bühne?! Quatsch. Die Show hieße schließlich „Tears of a clown“. Und ob man denn Showbusiness nicht mehr von der Realität unterscheiden könne?!

Tatsächlich wirkt Madonna, deren – für ihre Verhältnisse – unchoreografiertes Verhalten noch lange nichts von Justin Biebers legendärem Live-Spei-Vorfall auf dem Arizona-Konzert 2012 oder Amy Winehouse’ vielen erschütternd-stockbetrunkenen Auftritten hat, einfach showmüde. Im Gegensatz zu den Epigonen, den follow ups und Stars, die den Weg beschritten, den Madonna geteert hat, steht Pops Queen Mum seit Jahrzehnten da vorne. Gemeinsam mit dem Aufkommen der allgegenwärtigen (Video-)Bilder, die Prominente beschatten, ihre Images manifestieren und ihre Möglichkeiten zur Kommunikation vergrößern, bewegt sie sich schon länger im öffentlichen Fokus als die meisten anderen. Madonna hat jahrelang die Allgemeinheit bedient und es genossen. Obwohl Prominenz neben den offensichtlichen Vorteilen – Geld, Glamour, künstlerische Unabhängigkeit – eben auch Opfer fordert: die Privatsphäre zum Beispiel, die einem beizeiten fehlen kann.

Sie ist ungewöhnlich sarkastisch. Es sei ihr gegönnt

Vielleicht will sie jetzt einfach nicht mehr. Vielleicht hat sie die Faxen dicke von ihrem eigenen Reglement. Vielleicht stimmt ihre Work-Life-Balance schon lange nicht mehr. Vielleicht vermisst sie ihren pubertierenden Sohn. Vielleicht fühlt sie sich einsam und verlassen zwischen all den Tänzerinnen und Speichelleckern. Der Sarkasmus, mit dem sie damit umgeht, klingt ungewohnt für den landläufigen Madonna-Fan, den sein Idol vor allem auf dem Dancefloor begleitet.

Das alles sei ihr gegönnt. Madonna ist immer noch eine der am härtesten arbeitenden Bitches da draußen, auch wenn sie gerade am System zu scheitern droht, das den Popstar Madonna erst geboren hat. Wenn man jahrzehntelang den Maßstab für perfekte Shows angibt, jede Falte, jeden Fehltritt verneint, erscheinen sogar kleine Zirkusrad-Strauchler riesengroß. Egal, ob sie zur Clownsnummer gehören oder nicht.

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