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Die US-amerikanische Popsängerin Madonna auf ihrem persönlichen Kreuzzug. Sie verteidigt ihre Krone als "Queen of Pop".

© dpa

Madonna live in Berlin: Angriff der Superbitch

Madonna gab auf ihrer "Rebel Heart"-Tournee ein kämpferisches Konzert in Berlin. Heute Abend folgt ihr zweiter Auftritt.

Das Gesicht von Mike Tyson hat schon bessere Tage gesehen. Zerfurcht und finster blickt es von der Videowand herab. Der einstige Boxer und ewige Bad Boy spielt ein Biest im Käfig – als Kontrast zur strahlend schönen Blonden, die sich ebenfalls hinter Gittern räkelt. Uniformierte Typen nehmen sie fest, Blut fließt.

Aber hey, es ist Madonna, sie hat eine eigene Armee, um sich zu wehren. Ein Kriegertrupp mit goldschimmernden Kreuzstandarten marschiert aus der Leinwand direkt auf die Bühne. Ein martialisches Bild, in dem nur noch die Feldherrin fehlt. Und da ist sie endlich: Im Käfig schwebt sie von der Decke, singt durch die Gitterstäbe und reiht sich unten angekommen in die Kreuzritter-Phalanx ein.
Die Queen of Pop als Kämpferin. Das soll wohl rüberkommen bei dieser trotzig-protzigen Eröffnungssequenz ihres Konzertes in der Großarena am Berliner Ostbahnhof. Wofür sie kämpft, verrät schon der Titel dieses ersten Songs: „Iconic“. Im Text heißt es: „Tell me I’m no good and I’ll be great/Say I have to fight and I can’t wait“.

Madonna verteidigt ihren Legendenstatus – das ist nun schon seit vielen Jahren ihr Hauptanliegen. Ging es der Sängerin früher um Selbstermächtigung, steht mittlerweile nur noch die Selbstbehauptung im Fokus. Sie muss jetzt immer erwähnen, dass sie die Größte ist, weil es eben nicht mehr selbstverständlich ist. „No one fucks with the queen“, ruft sie einmal auf der Bühne. Und genau das ist auch die Hauptaussage von „Bitch, I’m Madonna“, dem zweiten Song des Abends.
Madonna hat in den letzten zehn Jahren viel von ihrer alten Stilsicherheit, Souveränität und Leichtigkeit verloren, was sie verletzlich macht. Sie ist angeknockt, die vielen Boxreferenzen in „Iconic“ kommen nicht von ungefähr. Aber Kämpfen macht ihr Spaß, letztlich ist es ihre Hauptbeschäftigung seit sie Ende der Siebziger fast ohne Geld von Michigan nach New York kam. Und mit ihrem 13. Studioalbum „Rebel Heart“ hat sie nun wieder einen Grund anzugreifen. Die Veröffentlichung verlief – bedingt durch einen Leak – äußerst holprig. Ein Bühnensturz und ungeschickte Interviewäußerungen der 57-Jährigen machten die Sache nicht besser.

Sex und Religion - das wirkt pseudoprovokant

Die deutlich zu lange Platte ist zwar kein Meisterwerk, doch Madonnas bestes Album seit Langem, was sich auch während der zweistündigen von „Rebel Heart“-Songs dominierten Show zeigt. So sind das beschwingte Titelstück, bei dem Madonna Akustikgitarre spielt, und der mächtig in den Bassfrequenzen brummende Clubtrack „Living For Love“ überzeugende Höhepunkte und kein Füllmaterial zwischen den alten Hits.

Outfit- und Szenenwechsel gehören zu Madonna-Konzerten.
Outfit- und Szenenwechsel gehören zu Madonna-Konzerten.

© dpa

Allerdings brauchen die Fans beim ersten von zwei Berliner Madonna-Konzerten, für die insgesamt 26 000 Tickets verkauft wurden, bis dahin ein bisschen Geduld, denn zunächst gilt es den Religionsthemenpark-Teil durchzustehen. Vor allem die Inszenierung des beknackten Songs „Holy Water“, bei dem Madonna mit verzerrten Stimme „Yeezus loves my pussy“ singt, und das moralische Antidrogenstück „Devil Pray“ wirken so kalkuliert provokant wie billig selbstreferenziell. Auf der Vorderbühne hopsen vier Tänzerinnen herum, die kaum mehr als ein Nonnenkopftuch und weiße Rüschenunterhosen tragen. Sie winden sich an vier von Kreuzen gekrönten Tanzstangen, lassen sich von Madonna drehen oder in der Horizontale hängend als menschliches Surfbrett gebrauchen.

Madonna spielt Ukulele und Gitarre

Die US-amerikanische Popsängerin Madonna auf ihrem persönlichen Kreuzzug. Sie verteidigt ihre Krone als "Queen of Pop".
Die US-amerikanische Popsängerin Madonna auf ihrem persönlichen Kreuzzug. Sie verteidigt ihre Krone als "Queen of Pop".

© dpa

Ansonsten müssen aber vor allem die männlichen Tänzer einiges aushalten. Madonna benutzt sie immer wieder, um Dominanz zu demonstrieren. Sie deutet Schläge an oder ein Halsumdrehen. Bei der Ballade „HeartBreakCity“ liefert sie sich auf einer Wendeltreppe einen Kampf mit dem untreuen Lover, den sie am Ende in die Tiefe schubst – ein spektakulärer Schreckeffekt.

An Schauwerten ist das zweistündige Spektakel ohnehin reich. Die Königin zeigt ausführlich ihren opulenten Kostümfundus her, der vom schlichten rot-schwarzen Gewand über ein Matadorinnen-Outfit bis hin zum knappen Glitzerkleidchen reicht – zweieinhalb Millionen Kristalle sollen auf der Garderobe ihrer Majestät verarbeitet worden sein. Mehr ist mehr heißt Madonnas Devise, weshalb sie wohl auch versucht, eine Höchstzahl von Bühnenbildern, Kostümwechsel und Songs in die Show zu stopfen, die dadurch zwar abwechslungsreich, aber auch etwas atemlos wirkt. Zumal Hits wie „Lucky Star“ oder „Into The Groove“ lediglich in Medleys abgehakt werden.

In Erinnerung bleiben daher eher die ruhigeren Momente wie die reduzierte Version von „True Blue“, zu der die beiden Backgroundsängerinnen fingerschnippend Barbershop-Atmosphäre aufkommen lassen und die ebenfalls intonationssichere Madonna eine Ukulele spielt. Der kleine Viersaiter ist offenbar ihre neue Leidenschaft, wobei der Gitarrist ihrer vierköpfigen Band sicherheitshalber dieselben Akkorde spielt wie sie. Das gilt auch für ihre Einsätze an E- und Akustikgitarre.

Madonna wirkt weniger verbissen als auf früheren Tourneen, sie muss beim Tanzen nicht mehr ständig beweisen, wie athletisch sie ist. Ein Kontrollfreak macht sich locker. Einmal fliegt ihr sogar das Mikro aus der Hand und bei ihrem „La Vie En Rose“-Cover schnarren die Ukulelen-Saiten – sympathisch. Das gilt leider nicht für ihre Ansagen und Zwischenmoderationen. Einmal fordert sie drei ihrer Tänzer auf, ihre Bauchmuskeln herzuzeigen und feuert das Publikum an, ebenfalls fleißig zu trainieren – fehlt nur noch, dass sie zum Besuch ihrer Fitnessstudio-Kette aufruft.

Sie schenkt Idris Elba eine Banane - ein verstörender Moment

Nervig auch ihre ständigen „Are you my bitches?“-Rufe. Dann singt die Oberbitch noch das mit seiner Quietsch- Fanfare und dem bollerigen Off-Beat-Rhythmus an Santigold erinnernde „Unapologetic Bitch“. Während des Finales gesellt sich zu den befrackten Tänzern der Schauspieler Idris Elba. Der Engländer, der kürzlich als erster schwarzer James Bond-Darsteller gehandelt wurde, war im Vorprogramm als solide-unspektakulärer DJ aufgetreten. Nun erklärt Madonna ihn zur Ehren-Bitch des Abends und schenkt ihm eine Banane. Es ist ein verstörendes Bild, voller unguter Konnotationen, die auch die fröhlich-funkige „Holiday“-Zugabe nicht recht vertreiben kann. Königinnen sind eben manchmal rätselhaft.

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