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Der "Cappenberger Kopf", 1150 gegossen.

© Andreas Lechtape

Macht und Pracht der deutschen Kaiser: Luxus lernten sie von den alten Römern

Eine Ausstellung in Mainz feiert die mittelalterlichen Kaiser. Sie zeigt auch: Die Herrscher prägen bis heute die politische Etikette.

Wer thront, blickt auf die anderen hinab. Er ist Herrscher, sie sind das Gefolge. Vom Thron, der um 1070 für die Goslarer Kaiserpfalz geschaffen wurde, haben sich nur die Lehnen erhalten. Aber sie sind prachtvoll genug.

Aus Bronze gegossen, zeigen sich auf ihnen Blüten, Blätter und eine Maske mit den Gesichtszügen eines Löwen, Symbol der Stärke. Man muss sich kostbare Stoffe dazudenken, mit denen der Sitz gepolstert war. Kaiser haben darauf Platz genommen.

Der Thron bildet das Entree der Ausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ im Mainzer Landesmuseum. Es ist die umfassendste Schau über die mittelalterlichen deutschen Herrscher seit Jahrzehnten. Neben dem Kaisersessel, mit dem die Ausstellung beginnt, wird ein filigraneres Möbelstück gezeigt.

Der römische Klappstuhl aus dem 4. Jahrhundert, der 2013 von einem Sondengänger in der Südpfalz entdeckt wurde, ist auf Reisen benutzt worden, vielleicht von einem Offizier. Er illustriert den Machtanspruch der deutschen Kaiser, die sich als Nachfolger von Cäsar und Augustus sahen, mit einem Territorium, das von der Elbe bis nach Sizilien reichte.

Nachdem Karl der Große am Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom von Papst Leo III. gekrönt worden war, hielten sich seine Nachfolger für Erneuerer des antiken Kaisertums. Allerdings gab es Schwierigkeiten bei der Durchsetzung dieser Selbstwahrnehmung.

Sie brauchten Unterstützung vom Adel und Klerus

Zur Krönung war es notwendig, sich nach Rom zu begeben, gegen die Widerstände lokaler Mächte. Von zehn deutschen Königen, die bis ins 10. Jahrhundert in Rom zu Kaisern wurden, starben drei auf der gefährlichen Italienfahrt.

Das Bündnis mit dem Papst gab ihrem Anspruch, Anführer der Christenheit zu sein, den kirchlichen Segen. Aber die Könige von Frankreich und England blieben Konkurrenten. „Das Kaisertum war angelegt, Ärger zu erregen“, hat der Historiker Manfred Fuhrmann bemerkt, „und der deutsche König, künftiger oder wirklicher Kaiser, musste den Ärger austragen“.

Um sich zu behaupten, brauchte der Kaiser die Unterstützung von Bischöfen, Fürsten, Rittern und Städten. Kurator Bernd Schneidmüller spricht von einer „konsensualen Herrschaft des Mittelalters“, die lange unterschätzt worden sei.

So nimmt die Ausstellung diese Netzwerke in den Blick und fokussiert auf die Zeit vom 9. bis zum 12. Jahrhundert, vom Frankenkaiser Karl bis zum Staufer Friedrich Barbarossa. Der Oberrhein gehörte in dieser Zeit zu den wichtigsten Machtzentren und Mainz kam dabei eine besondere Rolle zu.

Buchdeckel des Ada-Evangeliar (um 800).
Buchdeckel des Ada-Evangeliar (um 800).

© Anja Runkel

Dort stieg der Erzbischof Willigis zum zeitweilig einflussreichsten Mann des Reiches auf. Nachdem Kaiser Otto III. 1002 kinderlos starb, fungierte der Kirchenfürst als Königsmacher und setzte Heinrich II. im Mainzer Dom die Krone auf.

Wenn Dynastien wanken, drohen Nachfolgekriege. Als Strippenzieher hinter den Kulissen wirkte Willigis friedensstiftend in diesem Game of Thrones. Wie prachtvoll er sich selbst in Szene zu setzen vermochte, zeigt seine Kasel. Das goldene Messgewand, wohl in Byzanz gewebt, strahlt wie das Bühnenoutfit eines Glamrock-Stars.

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Unter den fast 300 Exponaten sind viele solche Prunkstücke. Das Armreliquar Karls des Großen, ausgeliehen aus dem Pariser Louvre, zeugt von der posthumen Verehrung des Kaisers, der 1165 heiliggesprochen wurde. Karl unterwarf Aquitanien, den Südwesten des heutigen Frankreichs, eroberte Barcelona und führte erfolgreiche Feldzüge in Sachsen und Norditalien. In der Selbstdarstellung gab er sich cäsarenhaft. Seine Hauptresidenz in Aachen ließ er im Stil der römischen Antike ausschmücken. Zwei Säulen, die aus dem Aachener Dom nach Mainz gekommen sind, wurden aus dem Marmor eines Palastes in Ravenna gefertigt.

Bildungspolitiker mit Leseschwäche

Unter dem Neuerfinder des Kaisertums und seinen karolingischen Nachfolgern nahmen Kunst und Wissenschaft einen ungeahnten Aufschwung, die Klöster wurden zu Zentren des Wissens. Nicht nur christliche Texte sind damals von Mönchen abgeschrieben und für die Nachwelt gerettet worden, sondern auch antike Klassiker wie Ciceros Rhetorik oder die Grammatik des Donatus, die bei der Erschließung der Bibel helfen sollten.

Einige der schönsten Inkunabeln sind in der Ausstellung versammelt, darunter das Ada-Evangeliar aus Karls Hofschule und das Sakramentar von St. Alban, eine Gebetssammlung, bei der die Texte von fantastisch verschnörkelten Initialen und Zierleisten gerahmt werden. Karl, der eine Bildungsoffensive startete, konnte selber wohl weder lesen noch schreiben.

Das musste er aber auch nicht, dafür hatte er Höflinge wie seinen Biografen Einhard, der in der „Vita Karoli Magni“ dessen Heldentum und Tugend preist. Gezeigt wird eine Abschrift aus dem Kloster Einsiedeln.

Die Große Mainzer Adlerfibel (um 1000).
Die Große Mainzer Adlerfibel (um 1000).

© Ursula Rudischer

[Mainzer Landesmuseum, bis 18. April 2021. Der im Theiss Verlag erschienene Katalog kostet 29 €. - Die Recherchen für diesen Text wurden vom Land Rheinland- Pfalz unterstützt]

Karls Ruhm ist bis heute ungebrochen, aber wer kennt noch solche Potentaten wie Arnulf von Kärnten, Wido von Spoleto oder Karl den Dicken? Ganz zu schweigen von den zahlreichen Gegenkönigen. Sie sind aus dem kollektiven Gedächtnis gefallen, tauchen in Mainz aber nun immerhin als Namen auf einem Zeitpfeil wieder auf, unter einer stilisierten Krone.

Zu Mythen wurden jene Kaiser, deren Taten von nachfolgenden Generationen ideologisch ausgebeutet werden konnten: Karl als Begründer eines Großreichs, Canossa-Gänger Heinrich IV. als Rebell gegen den Vatikan und Friedrich Barbarossa als Vorbote künftiger, noch größerer Stärke.

Der Sage nach sollte Friedrich, der auf einem Kreuzzug bei der Überquerung eines Flusses in Kleinasien ertrank, auferstehen, wenn Deutschland wieder zu einem Kaiserreich werden würde. Als es 1870 so weit war, wurde der weißbärtige Kaiser Wilhelm I. als „Barbablanca“ gefeiert.

Die Mainzer Willigeskasel (um 1000).
Die Mainzer Willigeskasel (um 1000).

© Marcel Schawe

Ein Missverständnis, denn Barbarossa hätte sich nie als Herrscher der Deutschen gesehen. Er war römischer Kaiser, zu einer Zeit, in der es – anders als im 19. Jahrhundert mit mehreren nationalen Kaisern – einen einzigen Weltenführer gab.

Aus der Heidelberger Universitätsbibliothek ist der Codex Manesse unter Polizeischutz ins Mainzer Landesmuseum gebracht worden. Die Liederhandschrift, die um 1300 in Zürich entstand, war seit 14 Jahren nicht mehr verliehen worden.

Der Kaiser als oberster Minnesänger

Nahezu alle überlieferten mittelhochdeutschen Gedichte von Poeten wie Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschenbach sind dort niedergeschrieben. Die Anthologie hält sich streng an die mittelalterliche Rangfolge. So zeigt das erste von 138 Autorenbildern Kaiser Heinrich VI., dargestellt als oberster Minnesänger.

Doch die Kaiser herrschten nicht absolut, mehr und mehr mussten sie ihre Macht teilen. Die Ausstellung endet mit einer großartigen Inszenierung. Auf fast lebensgroßen Reliefplatten, die im frühen 14. Jahrhundert als Zinnen für ein Mainzer Gebäude entstanden, sind Kaiser Ludwig IV. und die sieben Kurfürsten abgebildet.

Aufgestellt sind sie so, wie die Männer zu Turnieren oder anderen offiziellen Anlässen erschienen: der Herrscher in der Mitte, geschützt von seinen ritterlich behelmten Edelleuten. Nicht viel anders bewegen sich heute Politiker und Bodyguards durch die Welt.

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