zum Hauptinhalt
Eng wie im Atelier sind Louise Stomps Skulpturen aufgestellt.

© Harry Schnitger

Louise Stomps in Berlin: Der Baum hat mir ein Lied erzählt

In der Berlinischen Galerie ist die Bildhauerin Louise Stomps wiederzuentdecken.

Schmal und hoch bewachen drei Bronzeskulpturen in der Haupthalle der Berlinischen Galerie den Eingang zum Ausstellungsraum. Die überlangen Gliedmaßen erinnern an die Gestalten von Alberto Giacometti. Aber der „Pilger“, der „Einsame“ und „Gilgamesch“ stammen von Louise Stomps, einer Künstlerin, die eigenwillig ihren individuellen Weg suchte und archaische Formen mit den Innovationen der Moderne verknüpfte.

Schon seit 2009 befinden sich die drei Bronzefiguren mit weiteren Skulpturen aus Holz und fast hundert Arbeiten auf Papier als Schenkung der Erben in der Sammlung der Berlinischen Galerie. Jetzt sind diese Werke zum ersten Mal zu sehen. Zwar absolvierte Louise Stomps eine Ausbildung als Bildhauerin und hatte bald erste Erfolge, dennoch verschwand sie vom Radar der Kunstwelt.

Elisabeth Moortgat und Marion Beckers vom Verborgenen Museum, spezialisiert auf die Wiederentdeckung vergessener Künstlerinnen, haben nun für die überbordende Ausstellung „Natur Gestalten Skulpturen 1928 bis 1988“ das Leben der Berliner Bildhauerin akribisch erforscht und zeigen eine Auswahl aus dem umfangreichen Werk.

Louise Stomps wurde 1900 in Berlin geboren. Ihr älterer Bruder Victor Otto Stomps, genannt VauO gründete später den Verlag Die Rabenpresse. Die unkonventionelle Familie lebte erst im Tiergartenviertel, dann in Lichterfelde. Louise Stomps heiratete mit 20 Jahren, bekam zwei Töchter, ließ sich nach sieben Jahren Ehe scheiden und beschloss, Bildhauerin zu werden.

Sie besuchte die Abendaktklasse bei Johannes Röttger und die Bildhauerklasse von Milly Steger im Verein der Künstlerinnen zu Berlin. Eine der frühesten Arbeiten in der Ausstellung, eine kleine sitzende Frau aus grünem Sandstein, erinnert in ihren runden Formen an matriarchale Idole. Ein Großteil des Frühwerks aber wurde im Krieg zerstört. Im Nationalsozialismus wurde die Künstlerin zunächst Mitglied in der Reichskulturkammer, zog sich dann aber bald in die innere Emigration zurück. Ende des Krieges half sie ihrer Cousine, der Schriftstellerin Liselotte Welskopf-Henrich, einen Flüchtling aus der KZ-Außenstelle Lichterfelde zu verstecken.

Sie bekam den Kunstpreis der Stadt Berlin

Schon wenige Monate nach Kriegsende, im November 1945 zeigte die Galerie Rosen am Kurfürstendamm Werke von Louise Stomps, gemeinsam mit Plastiken von René Sintenis, Hans Uhlmann und Gustav Seitz. Stomps war Gründungsmitglied im Berufsverband Bildender Künstler. Ludwig Justi, Generaldirektor der Staatlichen Museen, kaufte 1947 die Skulptur „Das Paar“ an. 1951 bekam Louise Stomps den Kunstpreis der Stadt Berlin. Ein Foto aus diesen Jahren zeigt sie mit Pfeife und Seitenscheitel in der Tradition der Garconne aus den 1920er Jahren.

[Berlinischen Galerie Alte Jakobstraße 124-128, Mi bis Mo 10 – 18 Uhr]

Aber in den Fünfzigern verfestigten sich die ideologischen Positionen in der engen Berliner Kunstszene. Louise Stomps stieg aus und suchte das Weite. 1960 fuhr sie auf ihrem Motorrad nach Bayern, kaufte in Rechtmehring eine Mühle aus dem 15. Jahrhundert und baute sie aus. Die Bildhauerin Lidy von Lüttwitz und die Malerin Else Driessen zogen zehn Jahr später in ihre Nähe. Während anfangs die Einflüsse von Barlach und Henry Moore zu sehen waren, fand sie schließlich im Holz ihre eigene Handschrift, die Auseinandersetzung mit der Dynamik des Materials, die Arbeit auf den Spuren der Natur.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Alles ist in Bewegung in der gigantischen Wurzel aus Eichenholz. Helle Krümmungen türmen sich wie Wellen um eine dunkle Leerstelle. „Fingals Höhle“ hat die Bildhauerin ihre Skulptur genannt, nach der urzeitlichen Höhle auf den schottischen Hebriden, die schon William Turner oder Felix Mendelssohn Bartholdy inspirierte. Die Arbeit sollte singen. „Singen nenne ich das Unaussprechliche“, schrieb sie in ihr Notizbuch.

Der Klang von Holz und Wasser begleitete ihr Spätwerk. Unter ihrem Atelier gluckerte der Mühlbach. Für ihre Skulpturen nutzte Louise Stomp oft bis zu zweitausend Jahre alte Stämme, die als Fundament für ein Wehr im Inn gedient hatten. Oder sie verwendete Telegrafenmasten für die hochaufgeschossenen Gestalten, von denen sie nur wenige in Bronze goss.

Ein Gleichklang von Mensch, Kunst und Natur

In der Ausstellung sind die großen und kleinen Skulpturen wie in einer Werkstatt ein bisschen zu eng gestellt, sie stehlen sich gegenseitig die Schau. „Wir wollten die Fülle zeigen“, sagt Marion Beckers zu dieser ersten Präsentation.

Eigentlich aber braucht das Werk von Louise Stomps frische Luft. Auf einem Foto ist die Künstlerin ein Jahr vor ihrem Tod zu sehen mit zwei Skulpturen im Garten ihrer Mühle. Die von der Arbeit gebeugte Frau mit den großen, knochigen Händen, die in sich verdrehten Figuren aus Eichenholz, der schiefe Obstbaum: Alles scheint sich zusammen zu fügen zu einem Gleichklang von Mensch, Kunst und Natur.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false