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Duchamp

© AFP

London: Ray, Duchamp und Picabia in der Tate vereint

In einer ungewöhnlichen Zusammenführung präsentiert die Tate Modern derzeit Werke von Man Ray, Francis Picabia und Marcel Duchamp. Künstlerische Prinzipienlosigkeit und eine starkes Interesse für Sex und Erotik sind dabei die verbindenden Elemente, so Kuratorin Mundy.

Den wichtigsten Vertreter der künstlerischen Avantgarde, dem Franzosen Francis Picabia und dem Amerikaner Man Ray, hat die Londoner Tate Modern noch nie eine Ausstellung gewidmet. Und der französische Maler, Objektkünstler und Medienperformer Marcel Duchamp wurde zuletzt vor mehr als 40 Jahren gezeigt, im Jahr 1966. Damals hieß das Haus noch Tate Gallery. Nun feiert das Kunstmuseum gleich eine doppelte Premiere: Es zeigt seit Donnerstag alle drei Künstler gemeinsam in einer Gegenüberstellung, die anhand 380 Werken beweisen will, dass Man Ray, Picabia und Duchamp mehr verband als trennte.

"Dieses Sujet, das schon lange überfällig ist, ist eine große Herausforderung", sagte die Kuratorin Jennifer Mundy. Nicht in allen der 13 Sälen, durch die der Besucher geführt wird, sind die Querverbindungen zwischen den Künstlern offensichtlich. In diesen Abteilungen bietet die Auswahl der Werke jedoch ein umfangreiches Porträt der drei Künstler, deren Werke bis zum 26. Mai zu sehen sind.

Picabia, Man Ray und Duchamp, die zu den Begründern der New Yorker Dada-Bewegung gehörten, hatten ganz unterschiedliche Charaktere. Picabia (1879-1953) galt als Exzentriker, Provokateur, hatte subversiven Witz und war einer der aufregendsten und einflussreichsten Künstler der klassischen Moderne. Duchamp (1887- 1968) wurde als ausgeglichen und Ideen-Maschine bezeichnet und war ein leidenschaftlicher Schachspieler, der es bis zum offiziellen Vertreter von Frankreich bei Turnierteilnahmen schaffte. Der Maler und Fotograf Man Ray (1890-1977) hingegen wurde als Abenteurer und Entdecker bezeichnet.

Nacktheit und Erotik

Alle drei verband jedoch das existenzielle und künstlerische Konzept der Prinzipienlosigkeit und das mehr oder weniger stark ausgeprägte Interesse für Sex und Erotik. In ihrer bildnerischen Suche inspirierten sie sich gegenseitig, gleichzeitig behielt jeder seine künstlerische Individualität und Besonderheit bei, was gleich zu Beginn der Ausstellung zu sehen ist. Während "Adam und Eva" von Picabia fauvistisch geprägt ist, lässt Duchamps "Junger Mann und Mädchen im Frühling" den Einfluss von Paul Cézanne erkennen. Das verbindende Element ist jedoch das Thema Nacktheit und Erotik. Für Duchamp war Erotik die "Grundlage aller Dinge", auch wenn niemand darüber sprach.

Seit 1910/11 begannen sich die drei Künstler für den Kubismus zu interessieren. Duchamp entwickelte eine Variante mit runden und farbenfroheren Formfacetten, die der Dichter und Kunstkritiker Guillaume Apollinaire als "Orphismus" bezeichnete und für die die Werke "Akt, der eine Treppe hinunter geht" und "Die Braut" beispielhaft stehen. Duchamp schenkte das 1912 entstandene Werk "Die Braut" seinem Freund Picabia, der 1913/14 "Udnie" entwarf, ein großformatiges Ölgemälde, das die Formensprache Duchamps widerspiegelt. Auch Ray spielte mit den geometrischen Formen des Kubismus und schuf 1916 "The rope dancer accompanies herself with her shadows". Alle drei Werke konnten in der Ausstellung vereint werden.

Duchamps "Pissoir" unter den Ausstellungsstücken

Deutlich erkennbar sind die Querverbindungen auch bei den Maschinen-Bildern und der Objektkunst der drei Künstler. Zwischen 1913 und 1917 hält sich Picabia mehrfach in New York auf, wo er mit Man Ray in Kontakt steht und unter dem Einfluss seines Freundes Duchamp ironische Bilder und Zeichnungen von Maschinen entwirft. Ebenso offensichtlich ist der Einfluss der Ready-mades von Duchamp auf Man Ray. Die Ready-mades waren Gebrauchsgegenstände die Duchamp zu Kunstwerken erklärte.

Zu den bekanntesten Objekten Duchamps gehören seine Flaschenständer und sein berühmtes "Pissoir", die ebenfalls zu sehen sind. Man Ray fotografierte diese Objekte ohne Sinngebung und schuf selbst eine Reihe von Dada-Objekten. Später entwickelte er die Fototechnik des Rayogramms, eine kameralose Ablichtung in Schwarzweiß mit diffusen Konturen, die starken Einfluss auf die Surrealisten haben sollte.

Zu Ende geht die Ausstellung mit den Punkt-Bildern Picabias und seinen nach Vorlagen aus Soft-Porno-Magazinen entworfenen kitschigen Ölgemälden, die schon damals für viel Kritik und Spott sorgten. Eine Wahl zu der die Kuratorin jedoch steht: "Sie sind Teil des Gesamtwerks Picabias".

Sabine Glaubitz

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