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Der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie Mats Malm bei der Verkündung des Literaturnobelrpreises an Louise Glück.

© imago images/TT

Literaturnobelpreis und der Buchmarkt: Louise Glück wird dem Handel nicht helfen können

Die literarische Welt ist groß, ihre Rettung lauert überall - der Nobelpreis an Louise Glück verleiht der Buchbranche aber keinen Schub. Ein Kommentar.

Die amerikanische Lyrikerin und Essayistin Louise Glück ist also die Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2020. Louise wer? Als Mats Malm, der neue Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie, am Donnerstagmittag diesen Namen aussprach, war er im Schwedischen kaum zu verstehen. Seine nachfolgende englische Fassung der Preisverkündigung verschaffte zwar Klarheit.

Aber eine gewisse Ratlosigkeit blieb: Glück ist hauptsächlich in Kreisen der Lyrik bekannt, den US-amerikanischen zumal. Gerade zwei Bände von ihr sind ins Deutsche übersetzt worden, beide von der Berliner Schriftstellerin Ulrike Draesner.

Die nach den Turbulenzen der letzten drei Jahre schwer angeschlagene Schwedische Akademie hat für eine echte Überraschung gesorgt. Womöglich hat sie mit der Entscheidung für Louise Glück ausdrücken wollen, wer die ultimative Deutungshoheit über die gute Literatur hat, wer sich wirklich auskennt, so schon im vergangenen Jahr mit den Preisen für Peter Handke und Olga Tokarczuk.

Die Literaturnobelpreise sind wichtig für den Handel

Doch ob sie will oder nicht: Auch dieser Literaturnobelpreis dürfte politisch interpretiert werden. Es war Barack Obama, der der Lyrikerin 2016 die National Humanities Medal verlieh; die Bilder von Glück mit Obama sind die ersten, die neben ihren Porträtfotos im Internet stehen. Doch was bedeutet dieser Nobelpreis für die Literatur? Wie wirkt er auf den Buchmarkt?

Es gehört zu den Gesetzen des Marktes, dass einen Tag nach der Verkündung sofort die Bücher der neuen Preisträgerin oder des neuen Preisträgers gut sichtbar in den Buchhandlungen liegen. Der Literaturnobelpreis verpasst dem Handel stets einen Schub. Plötzlich ist Aufmerksamkeit da, Literatur ein Gesprächsthema, der Literaturnobelpreis zieht Kreise, lenkt den Blick auch auf andere Autoren und Autorinnen. Louise Glück und die zwei übersetzten Bände von ihr werden das hierzulande in diesem Jahr nicht vermögen.

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Natürlich ist es nicht die Aufgabe der Schwedischen Akademie, die ökonomischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen mitzubedenken, gar Signale für den Buchmarkt auszusenden. Doch der Buchhandel dürfte nicht erfreut sein. Die Pandemie und die Maßnahmen, um sie einzudämmen, haben die Buchbranche wirtschaftlich schwer getroffen.

Die Umsätze des Handels sind in den ersten sechs Monaten 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwischen zwanzig und dreißig Prozent zurückgegangen. Auch die Verlage haben im ersten Halbjahr Verluste von bis zu zwanzig Prozent hinnehmen müssen und die Veröffentlichung von Titeln verschoben. Jetzt versucht man, aufzuholen, hofft wie stets auf das Weihnachtsgeschäft.

Nie war die Literatur so wichtig wie in der Corona-Krise

Mehr noch als den Handel trifft es Verlage sowie Autorinnen und Autoren, dass die nächste Woche beginnende Frankfurter Buchmesse nur in einer Rumpfversion ohne Hallenausstellung stattfindet. Die steigenden Infektionszahlen und die innerdeutschen Reisebeschränkungen lassen befürchten, dass diese Rumpfversion noch trauriger als befürchtet ausfallen wird.

„Die breite Aufmerksamkeit für Bücher und das Lesen“, die sich Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs selbst von dieser Mini-Messe erhofft, wird es kaum geben. Was die Frage aufwirft, ob es nicht besser gewesen wäre, die Frankfurter Buchmesse frühzeitig abzusagen, so wichtig sie für die Literaturwelt ist.

Es gehört für die Buchbranche zu den Paradoxen dieses Coronakrisenjahrs: Nie war das Buch, war die Literatur so wertvoll, so wichtig, als Fluchtort, als Rückzugsmöglichkeit, als Quell neuer, anderer Gedanken – und schon lange waren die ökonomischen Krisensymptome nicht mehr so bedrohlich wie 2020. Die neue Literaturnobelpreisträgerin passt da trennscharf ins Bild; große Umsätze werden mit ihren Büchern wohl auch jetzt nicht in den USA gemacht. Aber der Preis für sie demonstriert einmal mehr, wie groß die Welt der Literatur ist – und dass sich Rettung und Trost auch in den Gedichten von Louise Glück finden lassen.

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