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Axolotl Roadkill: Plagiatsvorwürfe gegen Helene Hegemann

Der Autor eines Münchener Blogs findet beachtliche Textpassagen im gefeierten Roman "Axolotl Roadkill" - nun äußern sich die 17-jährige Autorin und der Ullstein-Verlag zu den Plagiatsvorwürfen.

Das Buch ist ein literarischer Überraschungserfolg – von der Kritik fast einhellig gepriesen und im Handel Stapelware. Helene Hegemanns Roman „Axolotl Roadkill“ (Ullstein Verlag), mit dem die 17-jährige Filmemacherin („Torpedo“) als Erzählerin debütiert, belegt auf der aktuellen „Spiegel“-Bestsellerliste Platz fünf. Wie in einem einzigen Rausch erzählt Mifti, die 16-jährige Protagonistin, darin von einer drogenumflorten Reise durch die Berliner Clubnacht, von der spannungsreichen Beziehung zu ihrer verstorbenen Mutter und sexuellen Begegnungen mit beiden Geschlechtern. E-Mails, Zitate aus Songtexten, Briefe und Tagebuchartiges sind Formen, die Hegemann dabei verwendet.

Deef Pirmasens hat in seinem Blog www.gefuehlskonserve.de nun den Vorwurf erhoben, dass einzelne Passagen des Buchs Anleihen bei dem Buch „Strobo“ (Sukultur Verlag) des pseudonymen Berliner Bloggers Airen nehmen. Die von ihm unter dem Titel „Alles nur geklaut?“ zusammengestellten Zitate lassen keinen Zweifel daran, dass Helene Hegemann eine Reihe von Sätzen übernommen und paraphrasiert hat. Erst seit der zweiten Auflage des Buches wird Airen in der Danksagung erwähnt. Außerdem zeigt Pirmasens, dass der den Roman abschließende Brief von Miftis Mutter an ihre Tochter Zeilen aus dem Song „Fuck U“ der Band Archive enthält. Airen selbst hat sich bisher nicht geäußert.

Der Fall hat drei Seiten: eine urheberrechtliche, eine moralische – und eine ästhetische. Zumindest ästhetisch formuliert der Roman in einem Dialog zwischen einem gewissen Edmond und Mifti seine eigene Haltung. Helene Hegemann zeigt sich darin ganz als Kind einer Kultur, die das Collagedenken des Dadaismus und die postmoderne Intertextualität in die Ära des popmusikalischen Sampling und der Mashup-Ästhetik des Internets überführt hat. „Berlin“, sagt Edmond, „is here to mix everything with everything, Alter!“ – „Ist das von dir?“ – „Berlin is here to mix everything with everything, Alter? Ich bediene mich überall, wo ich Inspiration finde und beflügelt werde, Mifti. Filme, Musik, Bücher, Bücher, Gemälde, Wurstlyrik, Fotos, Gespräche, Träume ...“ – „Straßenschilder, Wolken ...“ – „...Licht und Schatten, genau, weil meine Arbeit und mein Diebstahl authentisch werden, sobald etwas meine Seele berührt. Es ist egal, woher ich die Dinge nehme, wichtig ist, wohin ich sie trage.“ – „Es ist also nicht von dir?“ – „Nein. Von so ’nem Blogger.“

Das Zitat stammt aus Airens Blog airen.wordpress.com. Ullstein-Verlegerin Siv Bublitz weist in einer Erklärung darauf hin, dass Helene Hegemann vor Drucklegung auf Nachfrage nur eine – nachgewiesene – Stelle von David Foster Wallace genannt habe: „Offenbar hat sie die Tragweite dieser Frage unterschätzt.“ Die Position des Verlages aber sei eindeutig: „Quellen müssen genannt und ihre Verwendung muss vom Urheber genehmigt werden.“ Das soll nun nachträglich geschehen. Helene Hegemann selbst entschuldigt sich, „insgesamt eine Seite regelrecht abgeschrieben“ zu haben, verteidigt aber ihre Grundhaltung: „Originalität gibt’s sowieso nicht, nur Echtheit.“ Sie schreibt: „Von mir selber ist überhaupt nichts, ich selbst bin schon nicht von mir (dieser Satz ist übrigens von Sophie Rois geklaut)“. Der Roman sei „eher regiemäßig“ entstanden. „Ich bin nur Untermieter in meinem eigenen Kopf.“ Tsp

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