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70. Geburtstag: Amos Oz: Spezialist für vergleichenden Fanatismus

Politischer Denker, ausdauernder Friedensaktivist, bedeutender Schriftsteller: Zum 70. Geburtstag des israelischen Autors Amos Oz.

Wenn er mit sich im Reinen sei, bekannte Amos Oz einmal, „gleichgültig, um was es sich dabei handelt, um einen Teil des Lebens oder den Aufbau des Landes, dann schreibe ich einen Artikel. Wenn ich jedoch auch nur ein bißchen ambivalent bin, wenn ich mehr als eine Stimme in mir habe, (...), dann kann diese Widersprüchlichkeit, die Verschiedenheit der Stimmen, zum Embryo einer Geschichte werden.“ Tatsächlich versteht es der 1939 in Jerusalem geborene Amos Oz, seine diversen Professionen genau voneinander zu trennen. Zum einen ist er politischer Denker und ausdauernder Friedensaktivist, der in den Medien immer wieder insbesondere zum unlösbar erscheinenden palästinensisch-isrealischen Konflikt seine Stimme erhebt. Zum anderen ist er einer der bedeutendsten Schriftsteller seines Landes, der seit seinem Debütroman „Ein anderer Ort“ von 1966 ein weit über zwanzig Bände fassendes Werk aus Romanen, Novellen und Erzählungen geschaffen hat, zuletzt 2008 die Romansatire „Verse auf Leben und Tod“. Und in diesem Werk finden sich kaum Spuren von politischer Dokumentarliteratur, wenngleich es metaphern- und facettenreich ein authentisches Bild israelischer Wirklichkeit vermittelt, die Spannungen und Gefährdungen der israelischen Gesellschaft zeigt und dabei selbstverständlich auch auf das israelisch-arabische Verhältnis eingeht.

Als „Spezialist für vergleichenden Fanatismus“ hat Amos Oz sich vor ein paar Jahren in seinen Tübinger Poetik-Vorlesungen bezeichnet, und als solcher hat er eine Vielzahl praktischer Erfahrungen gemacht. Nachdem er sich nach dem Selbstmord der Mutter im Alter von 14 Jahren für ein Leben im Kibbuz entschieden hatte, wo er auch seinen Namen von Klausner in Oz änderte (hebräisch für Kraft, Stärke), und nachdem er nach einem Literatur- und Philosophiestudium in Jerusalem in den Kibbuz zurückgekehrt war, nahm er 1967 als Mitglied einer Panzereinheit am Sechstagekrieg auf dem Sinai teil. 1973 kämpfte er im Jom-Kippur-Krieg auf den Golanhöhen. Gleichzeitig begründete er die Friedensbewegung „Peace Now“, und noch letztes Jahr trat er als Initiator der „Neuen Linksbewegung Meretz“ hervor, die im Februar 2009 bei den israelischen Parlamentswahlen drei Mandate erhielt.

Amos Oz’ politisches Credo ist, das bringt eine Vita wie die seine mit sich, kein rein pazifistisches, wie es der sentimentale Sinn dieses Wortes vorsieht. Oz verstand sich immer als ein Kämpfer für den Frieden, der bereit ist, auch eine Waffe in die Hand zu nehmen. Denn, so hat er es in seiner Dankesrede für den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt 2005 dargelegt, es seien keine Friedensdemonstranten gewesen, keine „pazifistischen Idealisten“, die die überlebenden Juden in den Konzentrationslagern befreit hätten, sondern bewaffnete Soldaten: „Diese Tatsache vergessen wir israelischen Friedensaktivisten niemals, auch wenn wir gegen die Haltung unseres Landes gegenüber den Palästinensern kämpfen, auch wenn wir für einen lebbaren, friedlichen Kompromiss zwischen Israel und Palästina arbeiten.“

Amos Oz geht es um Ausgleich, unermüdlich plädiert er für eine Zweistaatenlösung, ohne dabei aber je einen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Staatsgründung Israels 1948 zuzulassen. Dieser hat er 2002 mit seinem großen Lebensbuch „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ genauso ein grandioses Denkmal gesetzt wie seiner eigenen Familie, die vor der russischen Revolution aus Odessa flüchtete und 1933 in Palästina landete.

So realistisch die Schilderung der israelischen Staatsgründung und die seines Lebens und das seiner Familie aber anmutet, so autobiografisch diese Geschichte sein mag, so umsichtig hat Amos Oz auch hier unterscheidende Vorkehrungen getroffen. Als Gattungsbezeichnung hat er für dieses Buch „Roman“ gewählt, und schon früh warnt er darin seine Leser, ihre Klatschsucht zu zügeln, die Fiktionen immer gleich mit der Wirklichkeit abzugleichen und alles, was er erzählt, für hundertprozentig bare Münze zu nehmen. Um dann sogleich den Leser selbst in die Pflicht zu nehmen: „Der Raum, den der gute Leser sich bei der Lektüre erschließt, ist nicht der zwischen Text und Autor, sondern der zwischen dem Text und ihm selbst“. Am heutigen Montag feiert Amos Oz in seinem Wohnort Arad in der Negev-Wüste seinen 70. Geburtstag.

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