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Peter Sodann (Foto von 2008)

© Kai-Uwe Heinrich

Literatur in der DDR: Arche Noah des Ostens

In der Peter-Sodann-Bibliothek im sächsischen Staucha wird die Buchproduktion aus DDR-Zeiten gesammelt

Von Gregor Dotzauer

Dreißig Jahre, nachdem ihn in Halle der Zorn auf die Vergangenheitsvernichter übermannte, wirkt er noch immer trotzig. „In den Bananenkisten des Westens schlummert das Wissen des Ostens“, lautet das Motto der Peter- Sodann-Bibliothek im sächsischen Staucha, eine Autostunde von Leipzig entfernt. Über 2,5 Millionen in der DDR erschienene Bücher, bisher nur zum Teil katalogisiert, warten hier darauf, als Erbe eines untergegangenen Landes gewürdigt zu werden – getreu der Mahnung, die Heiner Müller dem Gründer und Namensgeber dieser Institution (www. psb-staucha.de) zukommen ließ: „Der Dialog mit den Toten darf nicht abreißen, bis sie herausgeben, was an Zukunft mit ihnen begraben ist.“

Was war geschehen? Ein kleines Mädchen hatte Peter Sodann zum Hallenser Gewerkschaftshaus geführt, wo eifrige Bürger, die bald einem neuen Staat angehören würden, alles an Gegenständen und Dokumenten auf den Müll warfen, was ihnen überkommen erschien. Das waren auch Bücher. Wir schmeißen die Russenschwarten weg, erklärten sie dem Schauspieler und Regisseur, der sich mit seinen 82 Jahren in Halle 3 der Buchmesse an die Szenerie erinnert, als hätte sie gestern stattgefunden. Ihr schmeißt also eure Vergangenheit weg, fragte er empört. Ich lasse mir meine Vergangenheit nicht stehlen. Und so mietete er mit dem Geld aus dem Verkauf seines Elternhauses erst einen Kuhstall in Staucha, erwarb eine Scheune und trug, anfangs noch mit dem eigenen Wagen, zusammen, was er retten konnte. Inzwischen schicken ihm Leute aus allen Teilen des Landes Buchpakete, und mit Hilfe einer genossenschaftlichen Konstruktion – ein Anteil kostet 250 Euro – versucht er seit Kurzem, den Bestand der Präsenzbibliothek mit angeschlossenem Antiquariat für die nächsten Jahrzehnte zu sichern.

Sodann, der einmal für die Linke als Bundespräsident ins Rennen ging, ist vielleicht allzu schnell dabei, die „Es war in der DDR doch nicht alles schlecht“-Karte zu zücken. Und natürlich ist sein Haus nicht die einzige Arche Noah. Die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig archiviert zumindest die deutschsprachigen Werke, und in den großen Staats- und Universitätsbibliotheken überwintern zahlreiche Übersetzungen. Als Themenbibliothek ist die Peter-Sodann-Bibliothek allerdings einzigartig. Übernachten kann man dort übrigens auch. Die Herberge zum guten Buch ermöglicht Studien- und Erholungsaufenthalte für wenig Geld. Das einzige, worauf man sich einstellen muss: Es gibt keinen Fernseher.

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