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Szene aus "MS Slavic 7"

© Lisa Pictures / Berlinale

Literatur-Filme im Berlinale-Forum: Rosa und Karl

Wörter zu Bildern: Literatur-Filme über Rosa Luxemburg, die polnische Dichterin Zofia Bohdanowiczowa und Karl Ove Knausgård auf der Berlinale.

Die Gefängnisbriefe von Rosa Luxemburg sind mit ihrer manchmal etwas betulichen Vernarrtheit in Blümchen und Meisen bei uns schon Klischee. Vielleicht brauchte es da erst einen Fremden, um sich noch einmal frisch drauf einzulassen. Wie den libanesischen Filmkünstler Ghassan Salhab, der 2016 aus einem Berlin-Aufenthalt als Stipendiat des DAAD-Künstlerprogramms diesen Film zurückbrachte: Eine vielschichtige Video- und Toncollage, die Luxemburgs Texte mit anderen Stimmen überlagert und aus aktuellen und historischen Ansichten und Kriegsbildern deutsche Geschichte mit der des Nahen Ostens montiert.

Gesprochen werden die Briefe von einer Frauenstimme in Arabisch, später auch in Deutsch. Manchmal stehen sie auch als Text in weißen Buchstaben auf der dunklen Leinwand. „Und ich lächle im Dunkeln dem Leben“ lautet der Satz, den dann ein Erzähler in englischen Untertiteln als seine „Passworte“ in die Geschichte des 20. Jahrhunderts benennt

„Une rose ouverte“ ist einer der Filme im Forum, die (wie Rita Azedevo Gomes' grandiose Inszenierung einer Novelle von Robert Musil „A portuguesa“ oder die Jelinek-Verfilmung „Die Kinder der Toten“) nicht nur in engem Bezug zu Literatur stehen, sondern den Text selbst filmisch in Form setzen. Fast überdeutlich geschieht das in „MS Slavic 7“ von Sofia Bohdanowicz und Deragh Campbell. Auch hier sind Briefe Objekte des Begehrens: 24, die die polnische Dichterin Zofia Bohdanowiczowa in den Jahren um 1960 aus Toronto an den befreundeten Kollegen Józef Wittlin schrieb, der wie sie im Exil lebte, und zwar in New York. Nun will die Urenkelin der Dichterin die Briefe in einem US-Archiv studieren. Da spielen Fragen von Original und Übersetzung eine wichtige Rolle; sprachlich aus dem Polnischen, aber auch Zofias ziselierter Handschrift über Audreys Bleistiftkopie ins Digitale. Solche Übertragung spiegelt sich in der Besetzung des halb-dokumentarischen Films, der die regieführende echte Ur-Enkelin durch ihre Co-Regisseurin darstellen lässt. Offen bleibt, ob solche inszenatorischen Kniffe und die Briefe selbst genug Kraft aufbringen, ein Publikum auch ohne familiäre Bezüge zu fesseln.

In Peter Parlows „The Plagiarists“ ist es eine schwelgerische Textstelle aus einem Roman von Karl Ove Knausgård, die als Stimme aus dem Mund eines Afroamerikaners kommt. Ein Verfremdungseffekt, der bei einem rede- und streitseligen studentischen Pärchen mit künstlerischen Ambitionen (sie als Autorin, er als Filmemacher) zu hysterischen Plagiats- und Betrugsverdächtigungen führt. Denn es kann nur Anmaßung sein, wenn ein ländlicher Schwarzer wie ein europäischer Intellektueller klingt. Parlows Film beginnt mit der thriller-typischen Autopanne im Nirgendwo, wird aber bald zur raffiniert gestrickten und auch technisch selbstreflexiven Satire auf die Selbstverliebtheiten einer Szene, der wohl auch viele US-Filmemacherinnen angehören. Schön böse, wegen des unaufhörlichen Redeflusses zeitweise aber auch nervtötend.

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