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Matthias Brandt (l-r), Christine Westermann, Volker Weidermann, Thea Dorn bei der letzten Sendung des "Literarischen Quartetts" in diesem Jahr. Weidermann und Westermann hören nun auf.

© Sven Pietschmann/dpa

Literarisches Quartett: Nach Weidermanns Weggang übernimmt wohl Thea Dorn die Moderatorinnenrolle

Vorhang zu, einige Fragen offen: Volker Weidermann und Christiane Westermann gehen, das Literarische Quartett aber bleibt.

Es ist am Mittwochnachmittag im Spiegelsaal des Berliner Ensembles, bei der Live-Voraufzeichnung des „Literarischen Quartetts“ (Freitag, 6.12. ZDF, 23 Uhr), viel die Rede gewesen von Tränen, die vergossen wurden bei der Lektüre der vier Bücher dieser Sendung.

Westermann sagte, das Vorwort von Thomas Pletzinger zu seinem Porträt des Basketballers Dirk Nowitzki habe sie „wirklich zum Weinen gebracht“; Volker Weidermann sind beim Lesen von Fontanes Effi-Briest-Roman die Tränen geradezu „ins Auge geschossen“, und überhaupt, fiel Weidermann auf, sei das hier heute der Tag der Tränen, „vergossen aus Freude oder Traurigkeit“.

Was alles gut gepasst hat zur Abschiedsstimmung. Denn tatsächlich ist die Ausgabe des „Literarischen Quartetts“ an diesem Freitag nicht nur die letzte des Jahres, sondern auch die letzte mit Westermann und Weidermann als festen Mitgliedern. Beide hatten Ende Oktober ihr Ausscheiden verkündet.

Von ZDF-Seite hieß es, man wolle die Sendung fortführen, aber „grundlegend umgestaltet“. Bislang hat der Sender sich in Schweigen gehüllt, wie eine mögliche Konzeptänderung aussehen soll. Fest steht, dass die Kulturjournalistin und Schriftstellerin Thea Dorn, die nach Maxim Billers Weggang Anfang 2017 als Stammdiskutiererin dazustieß, dem „Quartett“ erhalten bleibt. Höchstwahrscheinlich übernimmt sie die Weidermann-Rolle als Moderatorin.

Thea Dorn hat Biller ordentlich ersetzt

Wer sonst neu dabei sein wird, darüber wird noch verhandelt, Namen kursieren keine; und davon hängt wohl auch ab, ob Dorn Gastgeberin wird.

Sicher scheint zu sein, dass am Konzept eben doch nichts grundlegend verändert wird und das „Quartett“ weiterläuft wie bisher, mit jeweils einem Gast, der nicht zwingend von der Literaturkritik kommt, sondern eine gewisse Prominenz mitbringt, so wie bei dieser Ausgabe der Schauspieler (und neuerdings auch Schriftsteller) Matthias Brandt.

Ob es eine gute Idee ist, die Sendung in genau diesem Format fortzuführen? Nach vier Jahren als Neuauflage des „Quartetts“, das Marcel Reich-Ranicki und die Seinen von 1988 bis 2001 zu Berühmtheit gebracht hatten? Im Grunde spricht nichts dagegen, nicht einmal die Quoten, die für Fernsehverhältnisse klein sind, am späten Freitagabend, für das Literatur-Business aber groß mit einem Publikum von 600.000 bis hin zu einer Million.

Vier Menschen reden über Literatur, über vier neue Bücher, sie beharken und streiten sich, was im besten Fall gleichermaßen niveauvoll und unterhaltsam ist. Und vom jeweiligen Temperament abhängt. Reich-Ranicki war eine Ausnahmeerscheinung, im Zusammenspiel mit der knurrigen Sigrid Löffler und dem oft heiteren Hellmuth Karasek funktionierte das sehr gut.

Hier geht es um Empfehlungen und Buchvorstellungen

In der Neuauflage war es Maxim Biller, der für Schärfe sorgte, für eine gewisse Unberechenbarkeit. Als Kontrast zu den grundsätzlich freundlichen, nicht unbedingt zu Streit und Schärfe neigenden Wesen von Westermann und Weidermann hatte diese Besetzung ihren Charme. Thea Dorn hat Biller ordentlich ersetzt, aber nicht mehr, was nicht so ins Gewicht fällt.

Denn die Crux des Ganzen ist sowieso der Widerspruch von Fernsehen und Literatur, der nur schwer aufzulösen ist. Literatur kann inszeniert werden, so wie Wolfgang Herles das auf seinem Blauen Sofa gemacht hat, wie es Denis Scheck in „Druckfrisch“ macht, an ungewöhnlichen Orten oder in aufregenden Landschaften und natürlich immer mit den Autoren oder Autorinnen, die sich dafür mal mehr, mal weniger eignen.
„Das Literarische Quartett“ ist das Gegenmodell. Hier wird nur über Bücher gesprochen, hier kommt es auf die Inszenierung der Rede, der Sprechenden an, auf überzeugende Argumente, ja, auch auf den einen oder anderen Witz.

Matthias Brandt war cool und souverän

Man muss sich als Zuschauer drauf einlassen – und wissen, dass die Literaturkritik nicht im Vordergrund steht, sondern der Vorstellungs-, Empfehlungs- und Daumen-rauf-Daumen-runter-Charakter das Gespräch über die Bücher dominiert. Was sich an dieser Ausgabe wieder schön erkennen ließ bei der Inflation der Superlative, nicht zuletzt von dem sonst supersouveränen, coolen Matthias Brandt.

Es herrschte viel Einigkeit, und schwer ist es oft, nach so viel Lob ein Streitgespräch zu führen, was wiederum den für das Fernsehen so wichtigen Unterhaltungswert hat. Aber muss ja nicht immer sein. Wie hat es Brecht gesagt, zitiert von Reich-Ranicki nach jeder Sendung: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Das wollte sich Volker Weidermann dann doch nicht nehmen lassen, diesen Satz bei seinem eigenen Abschied zu sprechen.

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