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Lisa Batiashvili, geboren 1979 in Tiflis.

© Sammy Hart

Lisa Batiashvili und Barenboims Staatskapelle: Gespensterreigen

Es hätte eine Abend der Klangzaubereien werden können. Doch Daniel Barenboim und seine Staatskapelle entzaubern das Spiel der Violinistin Lisa Batiashvili.

Teuflische Doppelgriffe, ätherische Leichtigkeit – der Reichtum von Lisa Batiashvilis Geigenspiel kennt derzeit kaum seinesgleichen. Mal kokettiert die Violine, mal spricht sie Machtworte, mal schwingt sie sich zu fahlen Tönen in höchster Lage auf. Batiashvili stellt ihr immenses Ausdrucksspektrum bei jedem Konzert in Berlin unter Beweis – und scheint es unentwegt zu erweitern. Die georgische Stargeigerin tritt ja häufig hier auf. Im Januar gastierte sie in der Yellow Lounge im Club Gretchen, im Juni kommt sie wieder, um mit dem DSO Brahms zu spielen. Das Dreigespann Batiashvili, Staatskapelle und Daniel Barenboim gehört ohnehin zu den festen Größen im Berliner Musikkalender. Diesmal steht Karol Szymanowskis 1. Violinkonzert auf dem Programm.

Das einsätzige, von ständigen Stimmungsumschwüngen und flirrenden Charakteren geprägte Werk aus dem Jahr 1916 wird in der Philharmonie zum Reigen der Elfen und Gespenster: ein versponnenes Selbstgespräch, mitunter in Tutti-Eruptionen kulminierend.  Batiashvili verzaubert das Publikum mit kantabler, sehrender Geige, ohne je ins Schwelgen zu geraten oder die Bodenhaftung zu verlieren. Und was tut Barenboim? Er entzaubert.

Fast möchte man die Solistin gegen die Staatskapelle und ihren Chef verteidigen, wüsste man nicht, wie sehr sie einander kennen und schätzen. Das vergleichsweise ungeschmeidige, Szymanowskis Farbenreichtum wenig entfaltende Orchester will mit Batiashvilis nuanciertem Spiel, ihrem virtuosen Changieren nicht korrespondieren. Ob Klavier, Klarinette oder Harfe – wiederholt sorgen seltsam ungelenke Einsätze für Ernüchterung. Lediglich nach der Kadenz – komponiert vom Uraufführungs-Solisten Pawel Kochanski – findet das Podium kurz zusammen, wie neu beseelt.

Seltene Momente der Intensität

Batiashvilis Zugabe, das raffiniert furiose Tremolo-Stück „Doluri“ ihres Landsmann Alexej Machavariani, wird mit Jubel im Saal quittiert.

Eigentlich hätte es insgesamt ein Abend der Klangzaubereien werden können, mit Rossinis „Semiramide“-Ouvertüre zu Beginn, die süffisant mit den damaligen Opernkonventionen spielt, und mit Tschaikowskis 1. Sinfonie g-Moll nach der Pause. Aber Barenboim belässt es auch bei den russischen „Winterträumen“ bei kräftiger Dynamik (als gelte es, einen Orchestergraben zu überwinden) und sportlichen Crescendi, fast fühlt man sich gegängelt. Die seltenen Momente der Intensität verdanken sich vor allem den Holzbläsern. Leicht verrutschte Horn-Einsätze, wenig Fantasie bei den lärmend repetitiven Passagen – das famos dunkel grundierte Timbre der Staatskapelle entschädigt ein wenig dafür. Und die Kontrabässe, die pianissimo kurz vor Schluss Einhalt gebieten, unendlich behutsam, als sei jeder Ton ein zerbrechliches Kleinod.

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