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Der neue Pilzkopf. Jack (Himesh Patel, links) trittt auch mit Popstar Ed Sheeran auf.

© Universal Pictures

Liebeskomödie „Yesterday“ im Kino: Die Beatles hat es nie gegeben

Romantische Käferstündchen: In Danny Boyles Liebeskomödie „Yesterday“ hat die Menschheit die wichtigste Band der Welt vergessen. Dafür ist Ed Sheeran mit dabei.

Wie heißt gleich der Pfaffe bei „Eleanor Rigby“? Genau, Father McKenzie. Die meisten Menschen zwischen 10 und 90 Jahren wissen das. Sie wissen auch, dass Father McKenzie eine Predigt schreibt, die keiner hören wird. Und Eleanor, die sammelt doch die Mäuse in der Kirche ... Nein, Reis sammelt sie ein, nicht mice.

Jack (Himesh Patel) ist einigermaßen textfest. Das macht den Hobbymusiker, dessen eigene Singer-Songwriter-Versuche bei Nachbarschaftsfesten nicht mal die Kinder vom Klötzchenbauen weglocken, zu einem Phänomen: Er ist der Einzige, der sich nach einem globalen Stromausfall an die Beatles erinnert. Für alle anderen scheint die wichtigste Band der Welt nie existiert zu haben. Ihre grandiosen Songs, Harmonien und Texte leben somit einzig und allein in Jacks Kopf. Und dieser Schatz verwandelt ihn in den größten Popstar der Welt.

Die Prämisse, die Drehbuchautor und Romantic-Comedy-Experte Richard Curtis („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) seiner Geschichte voranstellt, ist wunderbar, die zwingend daraus resultierenden Gags sind es ebenso. Was findet man, wenn man „Beatles“ googelt, die Band aber gar nicht existiert? Käferbilder. Bei den Rolling Stones, ergibt Jacks Suche, hat sich nichts verändert. Auch „Childish Gambino“ kennt Google. Bei „Oasis“ poppen allerdings Oasen-Bilder auf: Wenn es die Beatles nicht gibt, dann selbstverständlich auch ihre Epigonen nicht.

Jack darf im Vorprogramm von Ed Sheeran auftreten

Es sei ein „ganz spezieller Korridor zwischen Romanze und Komödie, in dem Richard Curtis arbeitet“, meint Regisseur Danny Boyle, der nun doch nicht den nächsten „Bond“ drehen wird. Gestisch sucht er beim Interview in einem Hamburger Hotel nach Worten, überschlägt sich fast. Curtis, schwärmt Boyle, sei der „britische Poet Laureate der Romantic Comedy, der Geschichten mühelos aussehen“ lasse. Er habe, neben seiner Beatles-Expertise, etwas „typisch Britisch-Melancholisches“, das man auch bei Patel finde. Was ihn darüber hinaus von der romantischen Komödie abhebt, ist das Musik-Budget: 15 Beatles-Songs wurden in einer bearbeiteten Fassung genutzt, „Hey Jude“ läuft im Original. Die Musikrechte kosten Millionen.

Etwas günstiger hat man, offensichtlich, „Shape of you“ bekommen, das als Klingelton zu hören ist – und zwar aus Ed Sheerans Handy. Jack darf zunächst in dessen Vorprogramm auftreten. Auf einer spontanen After-Show-Party konkurrieren die beiden sogar miteinander: Wer kann in fünf Minuten den besseren Popsong schreiben? Ed Sheeran kommt mit einem Stück namens „Penguins“ aus dem Backstageraum, Jack erinnert sich an das kompositorische Meisterwerk „The Long and Winding Road“. Danach ist er nicht mehr Support für Sheeran.

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Eigentlich hätte diese Schmach Coldplays Chris Martin treffen sollen, der wollte aber nicht. „Sheeran“, kichert Boyle, „kannte mich gar nicht!“ Man habe gemeinsam gespeist, und der Youngster, der gerade fünf war, als „Trainspotting“ ins Kino kam, musste ihn googeln. „Habe ich genau gesehen!" Sheeran als Sheeran macht seinem Ruf als recht konturloser Popstar jedenfalls im Film alle Ehre, wenn er Jack bei dessen Plattenaufnahme vorschlägt, doch lieber „Hey Dude“ statt „Hey Jude“ zu singen.

„Ein großartiger Gag“, findet Boyle, der zugibt, eigentlich eher ein „Bowie and Led Zeppelin guy“ zu sein. Die Beatles kenne er nur über die Eltern – „und dann ist ja auch Punk passiert“. Boyles „Trainspotting" war ein visuell aggressiver, wilder Befreiungsschrei, sein oscarprämierter „Slumdog Millionär“ blieb dagegen in den vorhersehbaren Bahnen stecken. Zur Romantic Comedy fällt einem Boyle jedenfalls nicht als Erstes ein.

Liebe ist wichtiger als Ruhm

Über die Konventionen des Genres wächst „Yesterday“ allerdings auch nicht hinaus, trotz guter Szenenwitze, seiner sympathischen Sorglosigkeit – und Lily James als Jacks platonische Freundin Ellie. Deren Liebe zu Jack leuchtet von der ersten Minute an rot von der Leinwand – doch Jack sieht sie nicht. Ellie verkörpert die Erkenntnis, die Jack erst noch gewinnen muss: Liebe ist wichtiger als Ruhm. Die Standardaussage jeder RomCom.

Immerhin hat Boyle versucht, sich in das Genre hineinzufuchsen. Im Gespräch setzt er auseinander, was er am Kino liebt: „Film muss in einer begrenzten Zeit erzählen, Serien können sich endlos ausdehnen.“ Vielleicht trifft Jack darum in einem erstaunlichen, aber kurz gehaltenen Handlungsstrang im beatlesfreien Paralleluniversum jemanden, den es zeitlich nicht geben dürfte. Und der gibt ihm einen wichtigen Rat – in Sachen Liebe.

Doch eigentlich würde Jack seinen Weg zum Herz seiner Frau auch komplett ohne den Beatles-Bohei, ohne Father McKenzie, ohne Hey Jude oder Dude finden. Er hätte auch als Astronaut das girl next door übersehen können. Die Beatles liefern nur Kulisse und Soundtrack, Ästhetik und Gags. Die Handlung treiben sie in keiner Weise voran – weder die Geschichte ihrer Songs noch was ihre Texte ausmacht. Weder die Beziehungspsychologie der „Fab Four“ noch ihre Bedeutung für Gesellschaft, Pop und Kunst. Trotz Millionen von Beatles-Nerds kann den Film sogar genießen, wer die Band nicht mag. Oder eben nie von ihr gehört hat. Dass der Geschichte diese Ebene nicht gegönnt wird, ist schade. Vielleicht wäre es mit Boyle und den Sex Pistols anders gelaufen.
Ab Donnerstag in 25 Berliner Kinos (auch OV und OmU)

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