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Liedermacher Sebastian Krämer hat das Zebrano-Theater 2005 mitgegründet.

© Christian Biadacz

Lieber singen als Pleite gehen: Sebastian Krämer, Dota Kehr, Tim Fischer sammeln per Benefiz-Album fürs Zebrano-Theater

Keine Einnahmen, aber doppelte Miete: 24 Künstlerinnen und Künstler singen für das Berliner Zebrano-Theater. Sonntag wird das Album vorgestellt.

Geht das jetzt los, dass man die kleinen Theater, die kleinen Kinos retten muss? Dass Künstlerinnen und Künstler zu Aktionen aufrufen, um die durch die Pandemie schwer geschädigte Kulturlandschaft der Stadt am Leben zu erhalten?

Ohne Überbrückungshilfen, privaten Rücklagen und persönlicher Hingabe wäre es ja bei den Betreibern kleiner Theater, Clubs oder Kinos längst soweit. Und mit jedem Lockdown-Monat wächst das mulmige Gefühl, dass da noch manche Pleite nachkommt.

Gutes Tun und Schönes erleben

Oder eben auch nicht, wenn es sich mit vereinten Kräften verhindern lässt. Der unschlagbare Vorteil der Kultur ist ja, dass Gutes tun und Schönes erleben deckungsgleich sein können. Der Liedermacher und Klavierkabarettist Sebastian Krämer formuliert es am Telefon so: „Wenn man unser Album nicht kaufen will, weil man es dringlich findet, uns zu unterstützen, dann kann man es einfach kaufen, weil es eine tolle Platte ist.“ Wo er recht hat, hat er recht.

Das Benefiz-Album „Sebastian Krämers Club Genie und Wahnsinn Vol. I“ (Reptiphon), das an diesem Sonntag per Livestream Recordrelease feiert, versammelt auf 80 Minuten Spieldauer eine eindrucksvolle Riege von Chansonniers und Liedermacherinnen.

Tim Fischer, Dota Kehr, C. Heiland, Danny Dziuk, Barbara Thalheim, Marco Tschirpke, Nils Heinrich, um nur einige zu nennen, haben unentgeltlich 24 Lieder gestiftet, um die leere Kasse des Zebrano-Theaters aufzufüllen.

Chansonnier Tim Fischer in seiner Wilmersdorfer Nachbarschaft.
Chansonnier Tim Fischer in seiner Wilmersdorfer Nachbarschaft.

© Doris Spiekermann-Klaas

Verantwortlich für deren existenzgefährdende Flaute ist nicht nur der coronabedingte Einnahmeausfall, sondern auch die Immobilienfirma Akelius, die auch in diesen Zeiten keineswegs das Einfrieren einer bestehenden Theatermiete akzeptiert. Immerhin dürfe das Zebrano nach dem regulären Auslaufen des Mietvertrags überhaupt in der Lenbachstraße am Bahnhof Ostkreuz bleiben, erzählt Mitgründer Sebastian Krämer.

Er fungiert als künstlerischer Leiter der 65-Plätze-Bühne, die dort seit 2005 residiert. Doch Akelius habe hart verhandelt und die Miete ungefähr verdoppelt. Nun gilt es für das von einem 80-Mitglieder-Verein ehrenamtlich betriebene Zebrano eine monatliche Lücke von rund 1000 Euro zu stopfen.

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Mangels Ticketverkäufen kann das derzeit nur durch Spenden und das für zehn Euro plus Versandgebühr bestellbare Album geschehen. Die Überbrückungshilfen von Stadt und Bund, die anderen Häusern durch die Krise helfen, greifen bei einer von Enthusiasten betriebenen Bühnen wie dieser nicht. „Das Zebrano dient keinen Einkommen, sondern der Erbauung“, sagt Sebastian Krämer, was von Nachteil sein kann, wenn es um öffentliche Gelder geht. Personalkosten gibt es keine, nur Selbstausbeutung. „Und bei der brauchen wir jetzt Unterstützung.“

Gerade sang sie Mascha Kaléko, jetzt singt sie fürs Zebrano. Die Berliner Liedermacherin Dota Kehr.
Gerade sang sie Mascha Kaléko, jetzt singt sie fürs Zebrano. Die Berliner Liedermacherin Dota Kehr.

© Annika Weinthal

Auch die Hygienevorgaben, die nach dem Ende des Kulturlockdowns sicher weiterhin gelten, sind für ein Zimmertheater kaum zu erfüllen. Im Zebrano blieben so sieben Einzelplätze oder 14, die nur von Pärchen aus einem Haushalt besetzt werden dürfen, übrig, erzählt Krämer. Nur sei das dann kein Zebrano-Abend mehr. „Bei uns muss man eng beieinandersitzen, singen und lachen können.“

Und so lesen sich einige der Songtitel, die von zarten Klavier- und Gitarrenliedern bis zu knackigem Arthouse-Rock reichen und von allem außer Corona handeln, wie eine Beschwörung der vermissten Atmosphäre: „Weil es winzig ist“, „Kuscheln“, „Wenn ich mal groß bin“, „Da wir es fühlten“. Weder Comedy noch politisches Kabarett, sondern Lieder und Literatur sind der Schwerpunkt der Chansonbühne, in der Sebastian Krämer allmonatlich in den Club Genie und Wahnsinn lädt und die Lesebühne „Die Dienstagspropheten“ ihre Heimat hat.

[Albumvorstellung per Livestream: Sonntag, 2. Mai, ab 19.30 Uhr im Youtube-Kanal des Zebrano-Theaters, Albuminfos: zebrano-theater.de/benefiz]

Von hauseigenen Entdeckungen wie dem Glasblassing Quintett, Lennart Schilgen und zahllosen Gastspielen ganz zu schweigen. Ein Friedrichshain ohne Zebrano stellt sich Sebastian Krämer lieber nicht vor, auch wenn die Vereinsmitglieder angesichts der Mieterhöhung darüber diskutiert haben, ob man die Bude nicht einfach dicht machen soll. „Aber wir sind ja nicht bis hierhin gekommen, um jetzt still und kläglich unterzugehen. Wir wollen irgendwann wieder was anderes als Streamingshows machen!“
Bis dahin gibt es wenigstens die. Am Sonntagabend ist neben Gastgeber Krämer und Überraschungsgästen auch Dota Kehr dabei, die vergangenes Jahr ein wunderbares Album mit vertonter Lyrik von Mascha Kaléko herausgebracht hat. Auf der Soli-Platte für das Zebrano ist sie mit dem hoffnungsfrohen Song „Schwangere Frauen“ vertreten, dessen Refrain sich hoffentlich als Prophezeiung erweist: „Wir müssen doch noch nicht untergehen, denn ich hab’ schwangere Frauen im Baumarkt gesehen“.

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