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Faustrecht. Andreas Klopp, Urs Stämpfli und Joachim Villegas in der Inszenierung, die das Verhältnis von Geld und Gier aufzeigt.

© Manuel Graubner

Lehman Brothers an der Vaganten Bühne: Nichts bringt mehr Geld als das Geld

Aus Bayern an die Wall Street: Die Vaganten Bühne erzählt die Familien-Saga der Lehman Brothers. Vom Aufstieg einer Dynastie und ihrem Einfluss auf die Welt.

Too big to fail. Das war die Annahme damals, vor mehr als zehn Jahren, und sie hat sich als ein weiteres Fanal in der Geschichte der menschlichen Hybris erwiesen, gleich nach dem Unsinkbarkeitsversprechen der Titanic. Die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008 ist als größter Konkursfall der USA in die Annalen eingegangen. Die Erschütterungen sind bis heute zu spüren, vor allem, was das Vertrauen in Banken betrifft. Ob allerdings auch Lehren aus dem skandaldonnernden Sturz des Traditionshauses gezogen wurden, das darf mit einigem Recht bezweifelt werden.

Keine Frage, die Lehman-Story hätte das Zeug zum Wirtschaftskrimi. Aber es sind nicht die Auswüchse des globalen Finanzmarktes mit seinen unverschämten Zockereien, die den italienischen Dramatiker Stefano Massini interessieren. Vielmehr nimmt er den großen Crash zum Anlass, um vom Aufstieg einer Dynastie zu erzählen – und ihrem Einfluss auf die Weltgeschichte.

Die Wirtschaft neu erfinden

Regisseur Lars Georg Vogel, der jüngst die Leitung der Vaganten Bühne übernommen hat, bringt die Saga um drei Brüder aus dem bayerischen Rimpar, die 1844 nach Alabama aufbrechen und die Wirtschaft neu erfinden, zur Premiere. Hayum, jetzt Henry, Mendel, fortan Emanuel, und Maier (Mayer) beginnen als Stoffhändler und bauen sich schnell ein Netzwerk aus Baumwoll-Lieferanten aus, indem sie als „Mittler“ agieren.

Kaufen, mit Gewinn weiterverkaufen – soll das ein Beruf sein? Nicht im Sinne des Viehhandels jedenfalls, den der Vater in Unterfranken betrieb. Aber die Lehmans haben ihre Passion gefunden. Investieren über Generationen in Kaffee und Kohle, den Aufbau der Eisenbahn, Erdöl und Autos, sie gründen eine Bank, gehen an die Börse, finanzieren nicht zuletzt, was schon immer besonders lukrativ war – den Krieg. Und erkennen bei all dem: Nichts bringt mehr Geld als das Geld.

Er wolle „das Leben nutzen – mit einer Zahlenreihe vor dem Komma, nicht dahinter“, gibt Philip Lehman, Emanuels Sohn, entsprechend als Credo aus. Ihn spielt der tolle Urs Stämpfli (anfangs auch Gründervater Henry) als smarten Business-Pionier mit untrüglichem Riecher für die richtige Karte im Finanzpoker.

Von Geld und Gier

Ebenso gut sind Andreas Klopp – unter anderem in der Rolle des Temperamentbolzens Emanuel – und Joachim Villegas, der das moderierende Brüderbindeglied Mayer und später Philips visionären Spross Robert gibt, der das Betätigungsfeld der Lehman-Holding bis aufs Kino weitet. Willkommen „King Kong“!

Als Vierte im Ensemble-Bunde und Schattenfrau agiert Stella Schimmele, die als Videokünstlerin vor allem stille und bewegte Bilder auf die weißen Papierbahnen zaubert, aus denen das Bühnenbild besteht – vom bayerischen Idyll bis zur Ozeanweite der Neuen Welt.

Lars Georg Vogel, der ja schon seit Jahren an der Vaganten Bühne arbeitet (und unter anderem mit „Michael Kohlhaas“ oder „Indien“ überzeugt hat), legt zu Beginn seiner Intendanz eine über zweieinhalb Stunden mitnehmende, starke Inszenierung vor, die sehr anschaulich das berühmteste Verwandtschaftsverhältnis überhaupt ausleuchtet: von Geld und Gier.
[Nächste Vorstellungen: 10. und 11.1., 19.30 Uhr, weitere im Februar]

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