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Sabine Meyer spielt Mozarts Klarinettenkonzert seit vier Jahrzehnten.

© Haberland

"Le Concert Olympique" zu Gast in Berlin: Spekulationen über Beethoven und die Wahrheit über Mozart

Sabine Meyer begeistert in Berlin mit Mozarts Klarinettenkonzert und der Komponist Jens Joneleit überrascht mit einer Collage über Beethovens 10. Sinfonie.

Was haben sie sich abgemüht, die Techniker, Komponisten und Wissenschaftler, die anlässlich des 250. Beethoven-Geburtstags von der Telekom damit beauftragt worden waren, die zehnte Sinfonie des Wiener Klassikers zu vollenden. Aus dürftigen Skizzen sollte das nie wirklich begonnene Werk doch noch klingende Gestalt annehmen, dank der Mithilfe von Künstlicher Intelligenz, die man monatelang mit Tausenden Partituren aus der Beethoven-Zeit anfütterte.

Heraus kam schließlich etwas, das sich kaum nach dem genialen Ludwig anhörte, sondern vor allem „nach Computer“, wie es Jan Caeyers am Dienstag in der Philharmonie formuliert. Der Dirigent, Musikologe und Gründer des auf Beethoven-Interpretationen spezialisierten Orchesters „Le Concert Olympique“ hatte da eine bessere Idee: Er beauftragte einen echten Menschen, den 1968 geborenen Jens Joneleit, um die skizzierten 300 Takte zur „Zehnten“, die in der Berliner Staatsbibliothek lagern, nach seiner Façon in eine aufführbare Form zu bringen. Das Ergebnis, das jetzt beim Berlin-Gastspiel des „Concert Olympique“ als deutsche Erstaufführung zu erleben war, ist höchst zufriedenstellend, ja geradezu unterhaltsam.

Joneleits "Sinfonie X" klingt klassisch und zugleich heutig

Denn Jens Joneleit begibt sich nicht in den Konkurrenzkampf mit Beethoven, der ja aus simpelsten Motivsplittern fantastische Klangkathedralen konstruieren konnte – prominentestes Beispiel: das „Ta-ta-ta-taa“ der fünften Sinfonie. Stattdessen montiert er dessen Gedankensplitter zu einer Collage, die gleichzeitig klassisch klingt und heutig wirkt. Joneleits Schnitttechnik funktioniert nach Kino- Manier, geschickt arbeitet er mit Kontrasten, betont einerseits den Furor-Faktor Beethovens mit vielen scharfen Pauken-Akzenten, lässt andererseits den zarten Melodien genug Raum zur Entfaltung, die wohl als lyrische Nebenthemen sowie Material für den langsam Satz gedacht waren. Ein perfektes Geburtstagsgeschenk!

Sabine Meyer spielt Mozart in höchster Vollendung

Fast stiehlt Joneleit mit seiner „Sinfonie X“ Sabine Meyer die Show, dem eigentlichen Star des Abends. Um sie einmal mehr mit Mozarts Klarinettenkonzert zu hören, ist der Großteil des Publikums gekommen. Und die Virtuosin enttäuscht ihre Fans nicht, schwebt geradezu durchs eröffnende „Allegro“, gestaltet das „Adagio“ als wortlosen Gesang in höchster Vollendung, wirkt in der sonnigen Heiterkeit des Finales gelöst und authentisch.

In den vier Jahrzehnten, die Sabine Meyer Mozarts Spätwerk nun schon spielt, scheint sie mit der Musik körperlich geradezu verschmolzen zu sein, ihre melodischen Linien sind pure Eleganz, wo sie Luft holt, ist nicht zu bemerken, ja, sie schlägt einen so souveränen Spannungsbogen über alle drei Sätze, dass man meinen könnte, ihr reiche dafür ein einziger Atemzug.

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