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Zurück aus der Weinbar. James Murphy, 47, Chef von LCD Soundsystem.

© DFA/Sony

LCD Soundsystem in Berlin: Liebe ist Zeitverschwendung

Dancepunk reloaded: LCD Soundsystem stellen ihr Comebackalbum „American Dream“ im Funkhaus Nalepastraße vor. Aber Hunderte Fans mussten draußen bleiben.

James Murphy tut so, als sei nichts gewesen. Kein Wort darüber, dass er sich vor sechs Jahren mit viel Brimborium in den Pop-Ruhestand verabschiedet und seine Band LCD Soundsystem aufgelöst hat, um fortan als Weinbarbetreiber und Kaffeeröster tätig zu sein. Doch irgendwie hat es dann doch wieder in den Fingern gejuckt, gelegentlichen Aufritten folgte kürzlich die Veröffentlichung des Albums „American Dream“. Um es vorzustellen, ist der New Yorker Musiker mit seiner Gruppe zu einem Exklusiv-Konzert ins Funkhaus Nalepastraße gekommen, das völlig überbucht ist und aufgrund eines schier endlosen Sponsoren-Werbeblocks erst kurz nach elf beginnt.

Musik über das Musikmachen

Eventuell aufkommende Müdigkeit zertrümmern LCD Soundsystem jedoch schon mit den ersten Takten von „Daft Punk Is Playing In My House“, diesem genialen Track von ihrem Debütalbum, mit dem sie ihre typische Mischung von Tanz- und Rockmusik vor 13 Jahren erstmals absolut zwingend auf den Punkt brachten und James Murphys Faible fürs Musik-über-Musik-Machen zelebrierten. Jubel brandet auf, als der Ex-DJ und Labelbetreiber im gleißenden Scheinwerferkegel zur Doppel-Kuhglocke greift, um ein paar hüpfende Akzente zu setzen.

In Anlehnung an das Album-Cover von „American Dream“ trägt der 47-Jährige ein T-Shirt mit Wolkenaufdruck, ab und zu nippt er am Rotwein – wahrscheinlich aus der eigenen Bar mitgebracht. Murphy macht ein paar launige Bemerkungen über seinen Drummer Pat, lobt den schönen Saal, doch zum vierten Album von LCD Soundsystem will er nichts sagen. Den ersten Song daraus spielt die Band erst nach rund 40 Minuten. Es ist das rockige „Call The Police“, für das ein zweiter Gitarrist hinzukommt und bei dem immer wieder David-Bowie-Assoziationen aufblitzen – vor allem bei der von Murphy mit Starman-Inbrunst gesungenen Zeile „And we don’t waste time with love“. Murphy hat an Bowies letzter Platte „Black Star“ mitgewirkt, die beiden waren befreundet. In einem Interview sagte der Amerikaner, dass ihn der britische Kollege bestärkt habe, seine Band wiederzubeleben. Was Murphy ihm mit weiteren Anspielungen – vor allem dem abschließenden Zwölfminüter „Black Screen“ – sowie einer Widmung im Booklet dankt.

Murphy klingt wie seine Mutter

Es geht auf „American Dream“, für das Murphy fast alle Instrumente selbst eingespielt hat, viel um Tod, Vergänglichkeit und das Älterwerden. „Every lover favors the same things/It’s all ’touch me, touch me, touch me, touch me tonight’/ We maybe realize what it is we need before we die“, ätzt Murphy in „Tonite“, um kurz darauf festzustellen, dass er wie seine Mutter klingt. Im Funkhaus versetzt die achtköpfige Band das zackig pulsierende Lied mit der geballten Kraft von vier Synthesizern immer wieder in Kurzzeit-Schwebezustände, die wie Mikro-Rave-Momente wirken – toll.

Elegisch, ein bisschen sentimental auch entfaltet sich anschließend der langsam walzende Titelsong des gelungenen, aber nicht sonderlich überraschenden Albums. Der Schlagzeuger imitiert den Drumcomputer-Part der Aufnahme, während Murphy zum Glockenspiel in sehnsüchtig-ironisches Wolfsgeheul verfällt. Schon schön, dass er wieder da ist – demnächst hoffentlich unter weniger misslichen Bedingungen.

Tickets ohne Gültigkeit

Hunderte Gäste waren am Montagabend angereist, um LCD Soundsystem im Funkhaus Nalepastraße zu sehen. Sony Music Germany und der Kopfhörerhersteller Beats hatten per Internetgewinnspiel Tickets verlost. Dann die Enttäuschung: Kurz nach der Öffnung wurden die Türen wieder geschlossen. Ohne weitere Auskunft mussten die Gewinner am Einlass warten, während am sogenannten VIP-Eingang massenhaft Menschen eingelassen wurden. Küsschen links, Küsschen rechts, während die Fans bei 12 Grad vor der Tür standen. Dann die letzte Gewissheit: Einlassstopp. Keine Entschuldigung, nichts.„Das ist eine Frechheit“, sagte ein Gast, der mit Freunden das Konzert besuchen wollte. „Vor allem, weil man ja nicht gerade schnell hierherkommt.“ Hunderte Gäste mussten nach zweistündiger Wartezeit abziehen. Eine Mitarbeiterin der Organisatoren bestätigte noch am Abend gegenüber dem Tagesspiegel, dass hunderte Einladungen zu viel verschickt wurden. Ein Marketingdesaster.

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