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Der Pianist Lars Vogt.

© Anna Reszniak

Lars Vogt und das Mahler Chamber Orchestra: Mozart aus der Kiste

Das Projekt "Unboxing Mozart" macht Zuhörer zu Orchestermitgliedern. Und bereitet sie auf das Konzert von Lars Vogt und dem Mahler Chamber Orchestra vor.

Viele kleine Kisten werden an der frischen Luft spazieren geführt, rund um den Herbert-von-Karajan-Platz. Sie sind aus Sperrholz und groß genug, dass eine Babypuppe darin verstaut werden könnte. Manche quäken, andere fiepen. Alle werden ab und zu vorsichtig hochgenommen und sanft geschüttelt. Was aussieht wie ein Waldorfelternkreis, ist, im Gegenteil, eine technisch höchst elaborierte, interaktive Konzerteinführung mit Namen „Unboxing Mozart“. Das Mahler Chamber Orchestra (MCO) hat diese Education-Maßnahme bei zwei Spieledesignern in Auftrag gegeben, zur Ergänzung seines „Mozart Momentum“-Projekts: Wer sich per Audiofile mit anderen Kistenträgern vernetzt, für ein paar Takte aus dem Klavierkonzert d-Moll KV 466, der sollte später im Konzert besser zuhören können. Hoffentlich.

Alle Werke, die anschließend im Kammermusiksaal zum Besten gegeben werden, sind im Jahr 1785 entstanden, auch die mit ein paar leichten Wacklern in den ersten Takten garnierte „Maurerische Trauermusik“ KV 477. Das Orchester spielt sich rasch und tipptopp warm, in gewohnter Brillanz. Alle Werke stehen in einer mehr oder weniger dramatischen Molltonart. Noch so ein didaktischer Trick, wie sie der künstlerische Leiter dieser MCO-Tournee, der Pianist Leif Ove Andsnes, ersonnen hatte, um die Ohren zu öffnen.

Vogt wütet und singt

Ein musikpolitischer Schnitt wird gelegt, quer durch die revolutionären Zeitläufte. Und das funktioniert wunderbar: Zwei radikal individualisierte, satztechnisch über das Liebhaberniveau weit hinausweisende Stücke Wolfgang Amadeus Mozarts – das Klavierkonzert d-Moll KV 466 sowie das Klavierquartett g-Moll KV 478 – werden kombiniert mit einer für die Pariser Freimaurerloge komponierten Haydn-Symphonie. Und blitzartig scheint auf, in welch tiefsitzendem Konfliktpotenzial Mozarts Musiksprache wurzelt, die für unsere ästhetische Wahrnehmung heute doch vorwiegend heiter klingt, sonnig und unterhaltsam.

Andsnes musste krankheitshalber absagen. Kurzfristig eingesprungen ist der schnelle, kluge, quicke Pianist Lars Vogt. Er musiziert das g-Moll-Klavierquartett gemeinsam mit Konzertmeister Matthew Truscott und Bratscher Joel Hunter sowie Cellist Frank-Michael Guthmann zügig und zuweilen – manch spitzfindiger Überpointierung wegen – etwas zu zickig. Mit Lust segelt das MCO durch Haydns Symphonie g-Moll „La Poule“, perfekt ausbalanciert. Das d-Moll-Klavierkonzert dagegen gerät zu einer Sternstunde der instrumentalen Interaktion. Vogt wütet und singt, das Orchester streitet und strahlt. Nach langen Ovationen rücken die Musiker noch eine Zugabe heraus: das traumselige Andante, bekannt aus Film und Fernsehen, aus KV 467: C-Dur.

Eleonore Büning

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