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Der Sänger der slowenischen Musikgruppe Laibach, Milan Fras.

© Foto: Daniel Karmann/dpa / picture-alliance

Laibach im Kesselhaus: Verkündiger des Blitzes

Laibach vertonten Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ – und stimmen im Kesselhaus der Kulturbrauerei eine Totenmesse für die Menschheit an.

Laibach und Nietzsche – da haben sich zwei gefunden: Auf der einen Seite die slowenische Industrial-Kultband, die seit 1980 durch ihr Spiel mit der Ästhetik des Faschismus die Kritiker spaltet und zuletzt Aufsehen erregte, weil sie als erste ausländische Rockband ausgerechnet in Nordkorea auftrat. Auf der anderen Seite der Dichter-Philosoph, der den Übermenschen und eine Moral „Jenseits von gut und böse“ propagierte und damit meist gründlich missverstanden wurde. Beide sind sie Großmeister der Subversion, beiden wird immer wieder vorgeworfen, faschistoid zu sein.

Nun also Laibachs Version von Nietzsches „Also sprach Zarathustra“, eine Soundtrack-Arbeit für eine Theater-Produktion von Matjaž Berger, die kürzlich als Album erschienen ist. Nicht wenige wollten wissen, wie die Band diesen deutschen Kulturbrocken auf die Bühne bringen würde: Rund 50 Meter erstreckte sich die Schlange am Montagabend vor dem Kesselhaus in der Kulturbrauerei, das zwar nicht ausverkauft, aber mit rund 800 Besuchern dicht gefüllt war.

Eindrucksvolle Wucht

Die hohe Halle des Industriedenkmals mit ihren Stahlträgern und nackten Betonwänden ist die perfekte Kulisse für diesen Anlass: Unter unheilvollem Dröhnen betreten Laibach die Bühne, wie immer einheitlich mit dunklen Anzügen uniformiert, abgesehen von Frontmann Milan Fras, der wie ein mystischer Diktator in einem bodenlangen, blutroten Ledermantel erscheint und durch den Kunstnebel hindurch ans Mikrofon schreitet.

„Der Mensch / ist kein Zweck / ein Übergang / und ein Untergang“, intoniert Fras mit Grabesstimme und rollendem R, während Keyboardwälle und düstere, metallische Hammerschläge die Menschendämmerung heraufbeschwören. Nietzsches lyrische Zeilen verwandeln sich bei Laibach in abgehackte Slogans, die in dieser Form tatsächlich anfällig für den Missbrauch durch jene werden, die den „Zarathustra“ mit chauvinistischer Oberflächlichkeit lesen. Die übergroßen Schwarzweißprojektionen von Tunneln, Skelett-Händen und Adlern, die in Zeitlupe über die drei Leinwände segeln, komplettieren die ohnehin schon eindrucksvolle Wucht von Musik und Text – das Publikum reagiert begeistert.

Messerschärfen auf der Bühne

Glücklicherweise haben sich Laibach nicht entschlossen, die überholten Nazi- und „Wille-zur-Macht“-Klischees gegen Nietzsche durchzuexerzieren, wie man es von der Band erwarten könnte. Das Künstlerkollektiv, das einst in SS-Uniformen in einem neu eröffneten Einkaufszentrum in Ljubljana shoppen ging oder Seife mit dem Aufdruck „Schwitz Aus“ verkaufte, agiert hier subtiler: Laibach be- und vertonen die dunklen, schrecklich-schönen Aspekte von Nietzsches Prosa-Dichtung über die Umwertung aller Werte und zelebrieren vor allem den Untergang des Menschen, und weniger das, was danach kommen könnte.

„Ich bin ein Verkündiger des Blitzes“, raunt Fras mit unbewegter Mine und schärft vor dem Mikro ein langes Messer. Man glaubt es ihm. Neben stampfenden Beats und Metall-Riffs gibt es hin und wieder aber auch lichte Ambient-Momente, bei denen Laibach beweisen, dass sie durchaus schon mal von Melodien gehört haben: So etwa beim euphorischen „Vor dem Sonnenuntergang“, bei dem Sängerin Mina Špiler dem Himmelsgestirn mit den Worten „Tiefer, tiefer / du Licht-Abgrund“ huldigt, während im Bühnenhintergrund Filmaufnahmen von Atompilzen aufblühen.

Gegen die Wirtschaft

Laibach haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, faschistische Tendenzen dort aufzudecken, wo man sie nicht vermutet (etwa in Pop-Hits wie Queens „One Vision“). Durch ihre Methode der Überidentifizierung mit eben diesen Tendenzen entlarven sie unsere geheime Faszination am Totalitären, die letztlich auch dann mitschwingt, wenn man auf einem Laibach-Konzert steht und der Band zujubelt. Dass Nietzsches Werk solche Aspekte enthält (auch wenn er ihnen an anderer Stelle widerspricht) ist nichts Neues – und das ist Laibach auch bewusst. So treten sie an diesem Abend weniger als die Exorzisten der Traumata des 20. Jahrhunderts auf, als die man sie sonst kennt, sondern eher als die Propheten, die vor einer allzu plumpen Rezeption von Nietzsches „Buch für Alle und Keinen“ warnen.

Und schließlich gibt es heute noch ganz andere Feinde zu bekämpfen: Am Ende des Konzerts heißt es nämlich nicht mit Nietzsche „Gott ist tot“, stattdessen spielen Laibach einen ihrer alten Klassiker vom 1992 erschienenen Album „Kapital“: „Wirtschaft ist tot“, wummert es durch das Kesselhaus.

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