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Vertauschte Rollen. Auftritt der Bühnentechniker:innen.

© St. Ketelhut, S. Schuetzler

„Kunstpause“ in Potsdam: Ein Lehrstück von der Leere

Mit seinem Projekt „Kunstpause“ lauscht das Duo Kombinat in die Stille der Pandemie. Am 13. März soll der Film Teil eines Aktionstages in Potsdam sein.

Theater zu, Bühnen leer: eine lamentable Situation, ja! Auch für das Potsdamer Performanceduo Kombinat. Paula E. Paul und Sirko Knüpfer sind freischaffende Künstler, viele Jahre schon, seit 2009 gemeinsam. Er als Medienkünstler, sie als Tänzerin, zusammen machen sie Kunst, die Tanz und Film verbindet. Seit einem Jahr nun also: so gut wie keine Auftrittsmöglichkeiten.

Was Kombinat über die Zeit gerettet hat: Anstatt sich über die Stille zu ärgern, hat das Duo hineingehört. Als im März 2020 die Theater zumachten, streiften sie mit einer Kamera durch die geschlossenen Potsdamer Theater und fanden, zwischen angestaubten Scheinwerfern, leeren Stuhlreihen und zugekramten Bühnen einen paradiesischen Urzustand. Den Ausgangspunkt, den man braucht, um Neues auszudenken.

Was für alle Theatermacher*innen gilt, gilt für Formationen wie Kombinat besonders: Wenn sie anfangen, gibt es weder Bühne noch Text, noch eine vorgegebene Form. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Tanz, Performance, Videokunst. Sie beginnen jedes Mal bei Null. Bühnenräume interessieren sie schon lange, leere besonders.

Sirko Knüpfer sagt: „Theater sind eigentlich Löcher.“ Leerstellen, die wir uns als Gesellschaft leisten. Um immer wieder neu anfangen zu können: mit jeder Inszenierung, jeder Choreografie. Wozu die Pandemie Knüpfer zufolge nun führt: Dass diese Leerstellen wieder sichtbar werden. Die leeren Bühnen sind für ihn Chiffren für das, was sein kann.

Am Anfang, vor Corona, hatte die „Kunstpause“ etwas ganz Anderes werden sollen. Ein Stück über die Unsichtbaren. Über die, ohne die im Bühnenbetrieb nichts geht: Techniker*innen. Später verworfener, dem Theaterjargon entliehener Arbeitstitel: „Die Schwarzen“. Als die Pandemie das Bühnenstück verhinderte, gelang es die Förderung vom Land umzuwidmen. Auftritt „Kunstpause“.

Licht und Ton sind auch Kunstformen

„Die Schwarzen“ blieben jedoch im Zentrum. Im ersten Shutdown war schnell klar, dass die Arbeit der Technik weitergeht, auch wenn auf den Bühnen keine Kunst gemacht wird. Es war die Zeit für Wartungen, Inventuren, Reparaturen. Für Liegengebliebenes. Und die Spinnereien derer, die sonst die Spinnereien anderer umsetzen. Auch die kommen in „Kunstpause“ vor.

Aber wer behauptet, dass Licht und Ton nicht auch Kunstformen sind? So sieht es das Potsdamer Duo. „Es ist eine choreografische Arbeit“, sagt Paula E. Paul, die Choreografin. „Letztlich geben wir nur den Anstoß.“ Ohne die Sichtweisen, Expertisen, die Persönlichkeit anderer ginge das gar nicht. „Wir sind alle Teil eines Klangs.“

„Kunstpause“ holt die Unsichtbaren ins Scheinwerferlicht. Holt den Beleuchter des Hans Otto Theaters auf die Drehbühne, folgt dem Kollegen im Theaterschiff beim Ausmessen der Bühne, im Nikolaisaal beim Skaten durch leere Reihen. Wenn durch das Rohr eines Bühnengestänges Wasser auf ein Becken tropft, wird aus dem kennerhaften Blick der Techniker auf den vertrauten Apparat etwas gänzlich Neues, Fremdes. Kunst.

Kunstschaffende machen auf sich aufmerksam

„Die Höhle, das Theater – das ist der Ort, wo wir uns alle begegnen“, sagt Sirko Knüpfer. In einer solchen Höhle soll der Film „Kunstpause“ zu sehen sein. Nicht im Stream, sondern am 13. März im Potsdamer Stadtgebiet.

Für den Tag hat das neu gegründete Netzwerk KulturMachtPotsdam eine Großoffensive angekündigt. Am Jahrestag des ersten Kulturshutdowns wollen 150 Potsdamer Kunstschaffende zeigen: Sie sind noch da (https://kulturmachtpotsdam.de/).

Sirko Knüpfer hat sich dafür ein Ein-Personen-Kino am Alten Markt ausgedacht. „Projektionstüte“ nennt er es, umgesetzt von den Werkstätten des Hans Otto Theaters. Es handelt sich um eine seitlich gekippte Pyramidenform, außen weiß, innen schwarz.

Knapp zwei Meter hoch, fünf Meter tief. Die Installation ist klein genug, um sie zu transportieren, und groß genug, dass ein Mensch fast darin verschwindet. Mit dem Kopf drinnen im Theater, mit den Füßen draußen in der Welt, so gefällt das Kombinat. Wenn es dann wieder geht, gerne auch andersrum.

Lena Schneider

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