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Am Stand der Galerie Gagosian trifft man auf „Marsupiale“ von Urs Fischer und „Window Washer“ von Duane Hanson.

© AFP

Kunstmesse in Köln und Brüssel: Europa kann stark sein

Die Art Cologne und die Art Brussels zeigen die Qualitäten des Kunstmarkts auf.

Die Wände rund um die Stände hat er mattgrau streichen lassen und geräumige Ruheinseln in die Mitte der Hallen integriert. Auf das neue, attraktive Design der 52. Art Cologne ist Messedirektor Daniel Hug ebenso stolz wie auf die insgesamt 210 Teilnehmer aus 33 Ländern, darunter Top-Player des Kunstmarkts. Nach einem Jahr Pause sind mit Larry Gagosian und Hauser & Wirth zwei Topgaleristen des zeitgenössischen Kunstmarkts ins Rheinland zurückgekehrt.

„Hugs langjähriges Engagement für die Messe zahlt sich nun aus“, stellt Iwan Wirth fest. Zufrieden nennt die Galerie Verkäufe von bisher drei Gemälden von Mary Heilman und vier Arbeiten des zur japanischen Gutai-Gruppe zählenden Minimalisten Takesada Matsutani, darunter „Deux Cercles“, 2014 für 85 000 Dollar. Nur die geometrisch abstrakten Objekte des Amerikaners Larry Bell warteten bei Redaktionsschluss noch auf Sammler.

Bilder von Neo Rauch oder Thomas Ruff sind sofort verkauft

Gagosian gelingt eine bemerkenswert stark kuratierte Skulpturen-Ausstellung unter dem Titel „Untitled“. Links neben dem Architekturmodell des vergoldeten „Sex Tower“ von Chris Burden (ca. 3 Mio. Dollar) steht Duane Hansons hyperrealistische Plastik „Window Washer“ aus dem Jahr 1984, ein dunkelhäutiger Mann im offenen Karohemd mit langstieligem Fensterreiniger in der Hand; und am rechten Rand wartet die monumentale Wachsfigur „Marsupiale“ von Urs Fischer darauf, von einem Käufer angezündet zu werden (Preis im hohen sechsstelligen Bereich).

Einige ihrer Blue-Chip-Künstler können auch andere Platzhirsche bereits am ersten und zweiten Tag platzieren, so David Zwirner Werke von Neo Rauch, Wolfgang Tillmans und Thomas Ruff. Auch Thaddaeus Ropac findet mit Arbeiten von Daniel Richter, Robert Rauschenberg und einer grandiosen neuen Plastik von Tony Cragg (Preisspektrum: 250 000–850 000 Euro) reges Interesse. Die Effekte der von Generation zu Generation weiter vererbten rheinischen Sammelleidenschaft genießt Monika Sprüth von Sprüth Magers, eine der innovativsten Pionierinnen des Kunstmarkts: „Hier gibt es weniger Spekulation als in New York“, konstatiert sie und nennt den Verkauf einer Strickarbeit von Rosemarie Trockel aus dem Jahr 2012 (200 000 Euro) und eines 2017 entstandenen Gemäldes von John Baldessari für 375 000 Dollar.

Immer mehr Händler kooperieren, um ihr Angebot zu erweitern

Spannende Stände inszenierten auch Gisela Capitain und Christian Nagel von Nagel Draxler, mischten sie doch etablierte mit jungen Positionen. So zeigte Nagel neben Werken von Heimo Zobernig eine amorph-figurative Skulptur aus buntem Blech, die die 1975 geborene deutsche Bildhauerin Anna Fasshauer mit eigenen Händen biegt (für 28 000 Euro verkauft). Capitain hat mit der 1971 in Lima geborenen Ximena Garrido-Lecca eine Bildhauerin entdeckt, die Kupfer in traditionell handwerklicher Verarbeitung zu dekorativen Bodenobjekten flicht und damit einen Rohstoff zur Diskussion stellt, mit dessen Abbau Konzerne Natur und Menschen ausbeuten. (21000 Dollar).

Eine Etage tiefer präsentieren sich die Händler der klassischen Moderne und der Nachkriegsmoderne mit einem ähnlich hochkarätigen Best-of ihrer Programme. Immer mehr Händler kooperieren um des eklektischen Mix’ willen, so Salis aus Salzburg mit dem in Zürich etablierten Händler Dierking. Ideal harmoniert hier eine kleine Pastell- und Tuschezeichnung in Azurblau und Rosttönen von Joan Miró (ca. 300 000 Euro) mit einem Meditationsstein aus schwarzem Granit von Herbert Prantl (135 000 Euro netto). Zwei österreichischen Bildhauern widmet sich auch der Wiener Händler Ernst Hilger mit kapitalen Arbeiten von Alfred Hrdlicka und Joannis Avramidis. Ihn konnte man eine Woche zuvor bereits auf der 32. Mailänder Miart treffen, die mit 186 Galeristen aus 19 Ländern als weitere bedeutende Messe des Frühjahrs um die Kauflaune der Sammler warb. Hilger stellte dort zum ersten Mal aus und war angetan: „Es ist ein Experiment, das wir fortsetzten wollen“, resümiert er.

Köln und Brüssel ist ein Spagat für viele Galeristen

Zeitlich noch enger mit der Art Cologne verknüpft ist die Art Brussels, deren Preview einen Tag nach der Kölner Messe in der denkmalgeschützten Industriearchitektur der Tour & Taxis-Hallen stattfand. Zum 50. Geburtstag lud sie 147 Galerien aus 32 Ländern ein, deren Programm sich auf die jüngere bis jüngste Gegenwart konzentriert. Zwar betonte Messedirektorin Anne Vierstraete im Vorfeld unisono mit Daniel Hug, wie sehr man diese Synergien begrüße. Doch für Händler, die auf beiden Messen präsent sein wollten, war der Spagat eine Herausforderung.

So für die Münchner Galerie Jahn und Jahn. „Der logistische Aufwand war enorm“, meint Partner Tim Geissler. Er hat sich gelohnt. In Brüssel hängt neben poetischen Arbeiten auf Papier von Willi Baumeister und dem 92-jährigen Heinz Butz auch ein Wandobjekt der vielversprechenden, 1983 geborenen Genfer Künstlerin Pauline Beaudemont (5000 Euro). Auch die Galerien Blain Southern mit Standorten in Berlin und London, Mazzoli (Berlin, Modena) und Conradi aus Hamburg bespielen beide Messen.

Vor allem die Stände mit jüngeren oder historischen Werken überzeugen

Bei der Vernissage herrscht entspannte Hochstimmung. Viele Frauen tragen Hosen mit den so oft kopierten berühmten Längsstreifen an den Außenseiten. Kein Joggingmaterial, sondern die Luxusmarkenversionen aus fließenden Stoffen in heiteren Farben, dazu blumige Sommerblusen und die für Messe-Langstreckenläufe tauglichen Turnschuhe. Neben wenigen klassischen Positionen, so bei der Londoner Galerie Repetto, die ein zweiteiliges goldfarbenes „Egg“-Objekt von Lucio Fontana aus poliertem Messing für 180 000 Euro anbietet, überzeugen vor allem Stände mit jüngeren oder historischen Positionen. Die großen Künstler der belgischen Pop Art animieren am Stand der belgischen Galerie Laurentin mit frechem Hyperrealismus. So formte Jacques Verdun 1974 zwei sonnenverbrannte, von Mücken zerstochene Frauen aus Polyester nach, die sich in Liegestühlen räkeln. Von Evelyne Axell sind zwei schöne Emaille- und Plexiglasarbeiten zu bestaunen, „Kiss me“ von 1969 (ca. 150 000 Euro) und „La Fille du Feu“ aus dem Jahr 1967 (ca. 200 000 Euro).

Ein beeindruckender Dialog zwischen alt und neu gelingt dem Berliner Galeristen Thomas Fischer mit einer Gegenüberstellung von Aquarellen des jungen deutschen Künstlers Friedemann Heckel nach Pornomotiven aus dem Internet (je 900 Euro) und Skulpturen Joachim Bandaus (bis 80 000 Euro), die ebenfalls Körper-Obsessionen thematisieren. Das Werk der Stunde zeigt jedoch Junggalerist Tommy Simoens, früher Studioleiter von Luc Tuymans. Eine Blattgold-Wandtafel von Rirkrit Tiravanija mit der Gravur eines Satzes aus George Orwells „Farm der Tiere“: „And the creatures outside looked from man to pig and from pig to man and from pig to man again, but already it was impossible to say, which was which.“ Das Menetekel maskiert sich mit Glamour.

Art Cologne, www.artcologne.de & Art Brussels, www.artbrussels.com, beide bis 22. 4.

Eva Karcher

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