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Zackig. Aquarell „Die Schweiz“ von Walter Dahn (Galerie Philipp Rosen).

© Galerie

Kunstmesse in Frankreich: Art-O-Rama in Marseille

Marseilles Kunstmarkt ist klein. Trotzdem findet in der südfranzösischen Hafenstadt jedes Jahr die Messe Art-O-Rama statt. Ein Rundgang.

„In Marseille kauft niemand Kunst“, sagt eine Galeristin in der Rue du Chevalier Roze. Solche Aussagen hört man selten von Galeristen, aber in Marseille wird kaum einer leugnen, dass es nahezu keinen Markt gibt. Jene fünf Galerien, die hier in derselben Straße untergekommen sind, profitieren von einer Immobiliengesellschaft, die ihnen die Räume für drei Jahre zur Verfügung gestellt hat; man bezahlt nur Nebenkosten und kann deswegen experimentieren.

Einer der ausstellenden Künstler ist Ludovic Sauvage. Er ist aufgewachsen in Aix-en-Provence, studierte in Nice und zog dann nach Paris. Da sei zwar der Druck größer, aber auch die Chancen, weiterzukommen, meint Sauvage. „Nach Marseille komme ich gerne, das Licht ist einfach unschlagbar, aber hier passiert nur einmal im Jahr richtig was – während der Art-O-Rama und wenn die Saison eröffnet wird.“ Es mag ein Paradox sein, dass ausgerechnet in einer Stadt ohne großes Kunstgeschäft eine Kunstmesse stattfindet. Die Art-O-Rama wurde 2007 gegründet und präsentiert junge und kleinere Galerien, mit viel Raum für eigene Gestaltung der Ausstellungsflächen. Dieses Jahr fand sie zum ersten Mal in den Joliette Docks statt, direkt am Meer. Von dort aus hat man spektakuläre Ausblicke auf die Kathedrale, oder man sieht die Fähre nach Korsika andocken. Weiter weg in der Bucht liegt das Dorf L’Estaque, wo sich Paul Cézanne und andere Maler gerne aufhielten.

Kunst wird dann aber doch gekauft

Auf der Messe begegnet man Parisern, die mit der schnellen TGV-Verbindung angereist sind, um zu schauen, was in Frankreichs zweitgrößter Stadt passiert, und gleichzeitig einige andere Ausstellungen in der Provence zu besuchen. Die Messe profiliert sich aber auch als Knotenpunkt der Region und arbeitet mit Institutionen wie der Fondation Van Gogh in Arles oder der frisch geöffneten Carmignac-Sammlung auf der Insel Porquerolles zusammen. Bei einem Besuch der Region sieht man, wie scharf die Kontraste zum Wohlstand verlaufen, wobei Marseille als die schwierige, rohe, lebendige, aber auch arme Außenseiterin Frankreichs gilt. Eine Stadt, in der Afrika und Europa zusammenkommen. Sie bietet Künstlern zwar kaum Markt, aber dafür bezahlbare Atelierräume, so wie früher einmal Berlin.

Tatsächlich wird auf der Art-O-Rama dann doch Kunst gekauft. Etwa bei dem Kölner Galeristen Philipp von Rosen, der mit einer Solopräsentation von kleinen Arbeiten auf Papier eine unbekannte und poetische Seite von Walter Dahn zeigt, die zudem noch bezahlbar ist. Ebenso klein, aber eher bissig und unheimlich in ihrem detaillierten Realismus sind die Arbeiten von Gonçalo Preto bei der Lissaboner Galerie Madragoa. Die Galerie ist schon zum dritten Mal auf der Messe vertreten. Neuling auf der Messe ist die Galerie Night aus Los Angeles – mit zwei Gemälden der New Yorker Malerin Mira Dancy, in denen sich expressive Körperlichkeit in eckigen, farbigen Formen versteckt. Die Arbeiten wurden an Sammler aus den USA verkauft.

La Belle Du Mai - ein riesiger Kulturkomplex

Veranstaltet wird die Art-O-Rama von Art Plus, einem Büro, das im Kulturzentrum La Belle Du Mai zu Hause ist. Es handelt sich um einen riesigen industriellen Komplex, in dem verschiedene Kulturinstitute sitzen und Künstler ihre Ateliers haben. La Friche versteht sich als Teil des armen Viertels La Belle Du Mai und bemüht sich, Kunst und Nachbarn zu integrieren. Die Kinder aus der Gegend spielen Fußball oder skaten auf dem Gelände, auf dem Dach kann man umsonst Filme sehen und für die Zukunft ist eine Schule geplant, in der neben dem normalen Curriculum zusätzlich kreative Fächer angeboten werden. Gleichzeitig sind in La Friche verschiedene Gruppenausstellungen zu sehen, etwa „Chronqiues Parallèles“ und „Vos Désirs sont les Nôtres“. Obwohl manche Einwohner La Friche skeptisch beobachten („Hier kann man mit Ausblick auf die Armen teure Cocktails trinken“), scheint der Komplex mit den konzentrierten Ausstellungen, der Diversität an Bewohnern und Besuchern genau auf den Punkt zu bringen, was Marseille machen kann, um als Stadt mehr zu sein als nur ein Versprechen.

Art-O-Rama, Salon international d’art contemporain, Marseille

Jurriaan Benschop

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