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Geblendet. Die Galerie Kritzinger zeigt „Choice“ (1993–2013), eine Skulptur des österreichischen Künstlers Martin Walde, im Rahmen des Art-Basel-Programms Parcours. Foto: dpa

© dpa

Kunstmesse in Basel: Gestern ist Gold

Die Schweizer Kunstmesse macht gutes Geld mit der Vergangenheit und ignoriert die Gegenwart.

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht von der Art Basel, der wichtigsten Kunstmesse der Welt. Gut ist, dass die Global Player auf dem Markt Umsatzrekorde melden und in diesem Jahr auch die kleineren und mittleren Galerien wieder vom Aufschwung profitieren. Das Stereotyp bleibt also wahr: Basel bleibt Basel. Wie in jedem Jahr ist die Weltmarktführerin nach Umsatz und Prestige obenauf, auch wenn hinter der glänzenden Fassade das Geschäftsmodell radikal umgebaut wird. Und das ist die schlechte Nachricht: Der Markt läuft heiß, die Preise steigen, aber die Konjunktur wächst rückwärts.

Es sind die großen Namen und Wiederverkäufe historischer Positionen, die in Basel die Kassen klingeln lassen. Die heimliche Rebellion der Käufer gegen das unüberschaubare Allerlei der zeitgenössischen Kunst spitzt sich zu. Sammler alter Schule, Fachleute, Eingeweihte und sogar Künstler bewundern die Werke kunsthistorischer Legenden und das museumshafte Angebot der globalen, konzernhaft agierenden Galerien. Dort aber, wo die Zukunft verhandelt wird und junge Künstler zu entdecken wären, verödet Basel trotz herausragender Einzelwerke und wohldurchdachter Messestände. Nur, was bereits abgesichert ist, treibt den Puls der Käufer. Die Messe flüchtet in eine goldene Vergangenheit.

Nach der Kampfansage gegen globale Steueroasen mag das Investment h anlagepolitische Gründe haben. Das wie Blattwerk durch den Raum schwebende „Sumac“-Mobile von Alexander Calder ist auch zu einem Preis von zwölf Millionen Dollar eine zeitlos solide Wertanlage und war bereits während der Preview für Vorzugskunden verkauft. Der Handel dreht die von den Auktionshäusern getriebene Preisspirale mit erkennbarem Eifer weiter und hat auch keine andere Wahl, weil die Renditeerwartungen der privaten Verkäufer, aus deren Lagern die Millionenware stammt, mit jeder Saison weiter in den Himmel schießen.

Die spekulative Fantasie ist so groß wie in den besten Jahren. Gesucht sind noble Außenseiter, lonely heroes und auch die Alterswerke lange marginalisierter Künstlerinnen. Was lange unbeachtet reifen musste wie das Werk der 1984 verstorbenen Alice Neel, bricht seit einigen Jahren Auktionsrekorde und schlägt auch in Basel die Halbmillionenmarke wie ein Porträt bei David Zwirner für 600 000 Dollar. Ein Gemälde von Dorothea Tanning, die auf der Venedig Biennale zu sehen war, soll nun 150 000 Dollar kosten. Eine Arbeit von Agnès Martin (1958) ging bei Pace für 750 000 Dollar über den Ladentisch. Der zeitgenossenskeptische Anleger sucht sozusagen gefestigten Charakter, und da hat ein monumentaler Polke bei Werner genug Patina, um einen Preis von 4,5 Millionen Dollar zu rechtfertigen, während bei Cheim & Read ein Werk von Sean Scully für 700 000 Dollar den Besitzer wechselte. Wichtiger als die respektablen Preise ist aber die Marktverschiebung, die sie in Basel bewirken. Mit der Lisson Gallery, White Cube und Metro Pictures sind erneut drei große Akteure des Galeriegeschäfts aus der oberen, aktuell zeitgenössischen Etage der Basler Messe ins Erdgeschoss der kapitalen Sekundärmarkt-Händler abgewandert.

So wird Basel zum Schaufenster eines Marktes im Wandel, der regional verankerte Galerien, die aus der intimen, kuratorisch orientierten Zusammenarbeit mit ihren Künstlern schöpfen, mehr und mehr ein Nischenmodell macht, während die großen Unternehmen mit mehreren Filialen immer weiter zwischen Handel und Künstlerproduktion diversifizieren und längst reine Vertriebsspezialisten beschäftigen. Die Marke zählt. Der mit dem Werk vertraute Galerist als Gefährte des Künstlers und vertrauenswürdiger Souffleur des Sammlers verkommt hingegen mehr und mehr zur romantischen Fiktion. Bringt man das Basler Marktparadox auf den Punkt, kaufen dort Sammler arrivierte Kunst aus der guten alten Zeit, weil deren idyllische Entstehungsbedingungen samt geruhsamer Reifung des Künstlers vertrauenswürdigere Positionen erzeugte, als es der heutige Markt vermag. Die neuen globalen Marken wie Damien Hirst haben sich doch etwas zu schnell verbraucht. Nun sollen die Elder Statesmen unter den Künstlern oder die Sonderlinge für Beständigkeit und Authentizität sorgen.

Natürlich zeigt Basel trotzdem brillante, atelierfrische Ware wie Monika Baers fast schon sakrale Malereien, auf denen der suchtzerfressene menschliche Körper in einen schlierenhaften Formzerfall getrieben wird (Barbara Weiss). Und es findet sich Matti Brauns trickreiches Strategiespiel mit konkreter Malerei, wenn er seine Leinwand mit antiken Nägeln ausstattet, als habe das Gemälde sich mit Frühgeschichte piercen wollen (bei BQ). Es gibt auch zwei hochkomplexe Farbschichtungen Dominik Sittigs bei Nagel Draxler und Krupp. Die Gegenwart lebt, und einen besseren Messestand als das intelligente Vexierspiel um ausbleichende Erinnerung, Fotografie und Bilderverbote bei der indischen Galerie Experimenter hat Basel selten gesehen.

Wer aber hinüberwandert in die imposante „Art Unlimited“-Halle im neuen Herzog & de Meuron-Anbau, jene Sektion also, in der Installationen und Skulpturen gezeigt werden, die den Messerahmen allein durch ihre Größe sprengen, sieht eine Metapher für den Markt. Vom bühnenbildhaften Thomas Schütte bis zum monströs dimensionierten Matt Mullican werden hier Werke zu Mustern der Eingängigkeit aufgebläht, überschaubar und störungsfrei wie Limousinen im Autohaus, während sich am Halleneingang auf engstem Raum im Statements-Sektor die aufstrebenden Nachwuchsgalerien drängen. Ironisch elegant wie Olivier Foulon bei Clages oder reduziert konzeptuell wie Judith Fegerl bei Hubert Winter: Es wären Entdeckungen zu machen, würde die Sektion im Sog der Größe überhaupt beachtet. Wo aber selbst die Nachwuchsmesse eine Liste historischer Positionen unter ihre Stände mischt, wird Erneuerung zur Schutzbehauptung. Die Gegenwart hält sich mit gutem Umsatz in Basel. Die Vergangenheit aber dominiert die Messe.

Art Basel, bis 16. 6., www.artbasel.com

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