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Der Künstler Gregor Schneider betrachtet im Staatstheater Darmstadt seine Installation "Sterberaum"

© Benjamin Weber/Staatstheater Darmstadt/dpa

Kunstinstallation: „Sterberaum“ als Live-Stream

Eine unverfügbare Erfahrung: Das Staatstheater Darmstadt zeigt via Live-Stream die Installation „Sterberaum“ des Bildhauers Gregor Schneider.

Sterbende sind ist normalerweise nicht sichtbar. Der Künstler Gregor Schneider hat schon 2008 darüber nachgedacht, dieses Tabu mit bildhauerischen Mitteln zu brechen. Als er die Idee zu einem „Sterberaum“ erstmals formulierte, war die Empörung enorm.

Schneider schlug vor, in einem Theater einen Raum aufzubauen, in dem eine Person öffentlich sterben oder nach dem Tod betrachtet werden könnte. Es gab heftige Proteste, Schneider bekam sogar Todesdrohungen.

Die Wellen schlugen so hoch, dass es lange dauerte, bis sich eine Institution traute, das Thema wieder aufzugreifen. 2011 wurde Schneiders „Sterberaum“ im Kunstraum Innsbruck aufgebaut. Sterbende gab es in der Installation „Toter Raum Rheydt 2005-2007“ nicht.

Der Tod ist eines der größten Tabuthemen in westlichen Gesellschaften. Viele verdrängen, was jedem irgendwann wiederfährt und womit jede im Laufe des Lebens zu tun hat.

Wenn Schneider nunmehr am Staatstheater Darmstadt einen „Sterberaum“ inszeniert, geschieht es unter anderen Vorzeichen. Mitten in der Pandemie haben der Tod und das Sterben eine andere Brisanz. 55.752 Corona-Todesfälle bisher in Deutschland. Menschen mussten in Pflegeheimen allein sterben, weil Angehörige nicht zu ihnen durften.

Ein leerer Raum, durch ein Fenster sichtbar

Der Streberaum in Darmstadt ist seit diesem Donnerstag via Live-Stream im Internet anzusehen. Es soll ein stiller Gedankenraum für Zuschauerinnen und Zuschauer sein. Jeder bringt seine eigenen Gedanken mit. Man sieht einen leeren Theatersaal und weit entfernt, vorne auf der Bühne, gibt ein Fenster den Blick auf einen kargen Raum ohne Möbel frei.

„Der Tod bleibt für uns eine unverfügbare Erfahrung“, sagt Gregor Schneider. „Und doch zeigt uns das Sterben, was es heißt, ein Mensch zu sein. Denn dieses Schicksal teilen wir mit allen Menschen.“

Schneiders „Streberaum“ ist ein Nachbau des am Neuen Bauen orientierten Haus Lange/Haus Esters von Mies van der Rohe. Der Architekt hatte die Privatvilla in Krefeld als bewohnbares „Kunstmuseum“ in den 1920er Jahren entworfen. Gregor Schneider hatte dort vor vielen Jahren seine erste Ausstellung und nutzte den Ort im Rahmen einer Aktion als seinen persönlichen Sterberaum.

Über das Sterben nachdenken

„Wie können wir mit dem Ende und dem Wissen darüber umgehen? Und was machen wir daraus“, fragt der 51-Jährige. „Wir haben uns gefragt, ob es einen Raum geben kann, der hilft, diesen zugleich sehr persönlichen und gesellschaftlichen Fragen konzentriert nachzuspüren“, sagte der Intendant des Staatstheaters Karsten Wiegand.

[„Sterberaum“, bis 31.1., 22.30 Uhr unter www.staatstheater-darmstadt.de]

Gregor Schneider gewann 2001 bei der Kunstbiennale in Venedig mit seinem „Haus u r“ den Goldenen Löwen. (mit dpa)

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