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Kostbarkeiten der vordigitalen Epoche: „Schwamm“, aus dem Buch „passé“ von Michael Bilek.

© Michael Bilek/mixtumcompositum

Kunstbildband: Schätze des Alltags

Das Buch „passé“ des Grafikdesigners Michael Bilek zelebriert unbedeutend gewordene Gegenstände. In Zeiten allgemeiner Isolation ist es der ideale Begleiter, um der Nostalgie zu frönen.

„Passé“ – was für ein schönes Wort, gediegene Vergangenheit steckt darin. Doch möchte man sich in Zeiten der Pandemie nicht wirklich vorstellen, was endgültig vorüber sein könnte, wenn der Shutdown überstanden, Corona überwunden ist. Das stämmige Buch mit dem knappen Titel „passé“ aber dürfte dann immer noch kerzengerade auf dem Schreibtisch stehen, mögen die darin gewürdigten 100 Gegenstände auch weiter in die Ferne gerückt sein.

Von A wie Armbanduhr bis Z wie Zündkerze frönt der Stuttgarter Grafikdesigner Michael Bilek darin seiner nostalgischen Lust, zelebriert er „die stille aesthetik der dahin gehenden objekte“, so der Untertitel des 1,5 Kilogramm schweren Buchs (edition mixtumcompositum, Esslingen, 95 €). Wie ein Monument wirkt es durch sein ungewöhnliches Format: ein flatbook, bei dem die Papierbögen vollflächig aneinanderkleben und zu festen Seiten verbunden sind. Der Buchblock lässt sich dadurch flach öffnen, wie man es von Kinderbüchern oder Speisekarten kennt.

Komik durch nüchterne Ernsthaftigkeit

„passé“ ist eine Gedenkplatte für die aussortierten, unbedeutend gewordenen Gegenstände des Alltags, ein letztes Geleit für das Löschpapier, den Locher und das Siegel. Jede Doppelseite zeigt ein Objekt in Makroaufnahme, darunter zwei Zeilen Text, die Wikipedia entnommen sind und in ihrer nüchternen Ernsthaftigkeit geradezu Komik entwickeln. Darüber hinaus erzählt die rostige Friseurschere ihre eigene Geschichte, der Betrachter spinnt sie für sich aus, denkt an Pottschnitte der Kindheit. Das abgenutzte Theaterglas erinnert an mondäne Aufführungen der Vergangenheit, der verkratzte Stempelhalter an das Büro von einst.

Michael Bilek führt seine Requisiten vor, als wären sie aus der Tiefe gehobene Schätze, Kostbarkeiten der vordigitalen Epoche. In Zeiten von Corona bietet das Netz zwar die Möglichkeit zum virtuellen Ausgang. „Passé“ aber schärft auf charmante Weise den Blick für Realien, die uns schon lange vorher abhandengekommen sind und beim ein oder anderen noch ganz hinten in der Schublade, oben auf dem Schrank oder in der nie ausgepackten Umzugskiste schlummern. Jetzt ist die Gelegenheit, sie hervorzukramen und mit den Erinnerungen auf Reise zu gehen.

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